Dänemark ist bekannt für seinen Wohlstand und seinen ausgebauten Sozialstaat. Doch im Gegensatz zu typischen Wohlfahrtsstaaten basiert das dänische Modell auf einer Mischung aus grosser wirtschaftlicher Freiheit einerseits und gezielter sozialer Absicherung andererseits. Anstatt auf Überregulierung und staatliche Kontrollen zu setzen, sind sich die Dänen bewusst, dass ein ausgebauter Wohlfahrtsstaat nur durch ein freies Unternehmertum, freie Märkte und Eigenverantwortung zu haben ist.
Wohlstand durch wirtschaftliche Freiheit – Das Fundament des dänischen Modells
Dänemark begann seine Reise zum Wohlstand lange vor der Einführung eines umfassenden Wohlfahrtsstaates. Im 19. Jahrhundert waren Landwirtschaft und Handel die Hauptpfeiler der Wirtschaft, und der dänische Staat spielte nur eine minimale Rolle. Mit der Verabschiedung des Næringsfreiheitsgesetzes von 1856 wurden Handelsmonopole und Gilden abgeschafft, was den Weg für eine freie Marktwirtschaft bereitete. Diese Reformen förderten Wettbewerb und Innovation und ermöglichten es Dänemark, sich von einem Agrarstaat zu einer modernen Wirtschaft zu entwickeln.
Dänemarks Erfolg im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist auf die Kombination aus Handelsfreiheit, Eigentumsschutz und einem liberalen Arbeitsmarkt zurückzuführen. Bis 1914 stieg das BIP pro Kopf erheblich und näherte sich dem Niveau führender europäischer Volkswirtschaften wie Grossbritannien und Deutschland an.
Grafik: BIP pro Kopf in Dänemark und anderen europäischen Ländern (1870–1914) – Diese Darstellung zeigt, wie Dänemarks BIP pro Kopf durch eine auf Marktprinzipien basierende Wirtschaftspolitik kontinuierlich wuchs.
Grafik: Die Staatsausgaben waren in Dänemark sowohl im Jahr 1870 als auch im Jahr 1929 noch vergleichsweise tief.
Der dänische Fiskalansatz: Finanzierung eines effizienten Wohlfahrtsstaates
Die Finanzierung des dänischen Wohlfahrtsstaates ist einzigartig und basiert auf einer breiten Steuerbasis, die vor allem von der Mittelklasse getragen wird. Statt hohe Unternehmens- oder Vermögenssteuern zu erheben, stützt sich Dänemark vor allem auf eine hohe Mehrwertsteuer (25 %) und eine progressive Einkommenssteuer. Der dänische Fiskalansatz ist so konzipiert, dass das Steueraufkommen durch eine breite Allgemeinheit gesichert wird. Dadurch trägt jeder Bürger zur Finanzierung bei, was Transparenz und Akzeptanz fördert.
Obwohl die Steuern hoch sind, bietet das System Stabilität und ist wenig von kurzfristigen Schwankungen betroffen. Diese konstante Einnahmequelle ermöglicht es dem Staat, seinen Bürgern ein umfassendes Sicherheitsnetz zu bieten, ohne auf übermässige Verschuldung zurückzugreifen. So konnte Dänemark auch in Krisenzeiten seine Ausgaben stabil und die Inflation im Rahmen halten.
Bildung und Gesundheitswesen: Effizienz durch Eigenverantwortung und Chancengleichheit
In Dänemark gilt ein anderes Verständnis von sozialer Absicherung. Das Gesundheits- und Bildungssystem ist auf Effizienz und Qualität ausgelegt, mit einem Fokus auf Eigenverantwortung und Chancengleichheit.
Das Gesundheitssystem wird teilweise durch Eigenbeiträge finanziert, was die Effizienz steigert und gleichzeitig hochwertige medizinische Leistungen gewährleistet. Dänemark gibt pro Kopf weniger für das Gesundheitswesen aus als andere Wohlfahrtsstaaten, erzielt jedoch gleichwertige oder bessere Ergebnisse.
Im Bildungsbereich legt das Land besonderen Wert auf Qualität und Leistung. Dank eines leistungsbasierten Bildungssystems gehört Dänemark zu den führenden Nationen im Bereich der Bildung. In den 1980er und frühen 1990er Jahren betonte die konservative dänische Regierung im Einklang mit den damaligen liberalen Trends in der gesamten westlichen Welt die akademischen Standards und die Wahlfreiheit der Eltern im Bildungsbereich. Sie schlug eine staatliche Schulfinanzierung für die Primar- und Sekundarstufe I vor, führte eine breitere Schulwahlpolitik in Form von Bildungsgutscheinen ein und förderte die Eröffnung mehrerer unabhängiger Schulen.
Liberaler Arbeitsmarkt und Flexicurity – Ein Modell aus Flexibilität und Sicherheit
Ein weiterer Eckpfeiler des dänischen Systems ist das sogenannte Flexicurity-Modell, das hohe Flexibilität für Unternehmen mit sozialer Sicherheit für Arbeitnehmer verbindet. In Dänemark können Unternehmen Angestellte flexibel einstellen und entlassen. Dies fördert die Anpassungsfähigkeit an Marktbedingungen und Innovationen. Auf der anderen Seite erhalten Arbeitnehmer umfangreiche Unterstützung durch das Arbeitslosensystem und Weiterbildungsprogramme, die sie für neue Positionen vorbereiten.
Der dänische Arbeitsmarkt basiert auf der Kooperation zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Seit dem September-Abkommen von 1899 regeln Gewerkschaften und Arbeitgeber wesentliche Arbeitsmarktfragen durch Tarifverhandlungen und setzen dabei auf Eigenverantwortung und faire Bedingungen.
Vom Wohlfahrtsstaat zur Haushaltsdisziplin – Lehren aus den 1970ern
In den 1970er Jahren erlebte Dänemark eine Zeit der Staatsaufblähung, als die Regierung die sozialen Ausgaben massiv erhöhte. Die Staatsausgaben wuchsen auf fast 60 % des BIP, was zu hohen Defiziten und steigender Inflation führte.
Grafik: Der Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt stiegt von 24 Prozent im Jahr 1970 auf 59 Prozent im Jahr 1995.
Diese Periode endete in den 1980er Jahren, als eine konservative Regierung unter Poul Schlüter eine Politik der Haushaltsdisziplin einführte. Die Regierung reduzierte die Staatsausgaben und reduzierte dadurch die Inflation.
Grafik: Die Steuereinnahmen stiegen in Dänemark von 29.1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 1965 bis auf 41.5 Prozent im Jahr 1980.
Grafik: Der Trend der steigenden Inflation konnte in den 1980er Jahren durch eine strengere Haushaltsdisziplin gebremst werden.
Grafik: Seit Mitte der 1990er Jahre reduzierte Dänemark den Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandsprodukt von 59 Prozent auf 50 Prozent im Jahr 2019.
Diese Rückkehr zu einem nachhaltigen Haushaltsansatz ist seitdem ein Kernprinzip der dänischen Politik. Dänemark unterstreicht, dass auch ein Wohlfahrtsstaat eine nachhaltige Haushaltsführung benötigt, um langfristig stabil zu bleiben.
Dänische Unternehmen und Innovationsförderung – Die Rolle der niedrigen Unternehmensbesteuerung
Dänemark hat eine Reihe international erfolgreicher Unternehmen hervorgebracht, darunter Mærsk, Novo Nordisk und LEGO. Diese Unternehmen profitieren von einer niedrigen Unternehmensbesteuerung und einem stabilen regulatorischen Umfeld, das Innovationen fördert und den Aufbau von Kapital unterstützt. Die dänische Regierung verfolgt eine gezielte Förderung von Innovation und Forschung und schafft damit ein positives Umfeld für Unternehmensgründungen und Wachstumsinitiativen.
- Forschung und Entwicklung: Dänemark investiert über 3 % seines BIP in Forschung und Entwicklung und ist damit führend in Europa.
- Regulierung: Das Land zählt weltweit zu den am wenigsten regulierten Volkswirtschaften, was den unternehmerischen Freiraum begünstigt.
Grafik: Ausser beim Kriterium der Staatsgrösse schneidet Dänemark im Index wirtschaftlicher Freiheit regelmässig auf den vorderen Rängen ab. Beim Schutz der Eigentumsrechte lag man im Jahr 2020 auf Platz 2, beim Kriterium der Regulierungsdichte auf Platz 4.
Internationale Integration und Handel – Die Bedeutung von Exporten
Der internationale Handel ist ein zentraler Bestandteil der dänischen Wirtschaft. Mit einem Exportvolumen von über 50 % des BIP gehört Dänemark zu den am stärksten exportorientierten Ländern. Die enge Verzahnung mit der Weltwirtschaft hat Dänemark ermöglicht, seine Märkte zu diversifizieren und seine Wirtschaft krisenresistent zu machen.
Fazit: Lehren aus dem dänischen Modell für den Wohlfahrtsstaat
Das dänische Modell zeigt, dass wirtschaftliche Freiheit und ein Sozialstaat nicht zwingend im Widerspruch zueinander stehen müssen. Statt auf übermässige Umverteilung setzt Dänemark auf einen ausgeglichenen Ansatz, der Eigenverantwortung und soziale Sicherheit vereint. Durch seinen flexiblen Arbeitsmarkt, den guten Schutz der Eigentumsrechte, der geringen Regulierungsdichte, der freie Schulwahl und der Betonung von Innovation ist es Dänemark gelungen, wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Absicherung zu verbinden.
Dänemark zeigt, dass ein Wohlfahrtsstaat erfolgreich sein kann, wenn er auf Eigenverantwortung, Deregulierung und starken Eigentumsschutz setzt und gleichzeitig unternehmerische Freiheit bietet.