Aktuelle Wirtschaftsdaten verheissen nichts Gutes: Diverse Indikatoren deuten auf einen wirtschaftlichen Abschwung hin. Das scheint jenen gerade recht zu kommen, die das Wirtschaftswachstum ohnehin staatlich bremsen und begrenzen wollen. Denn Wirtschaftswachstum – so die Argumentation – schade Mensch und Umwelt gleichermassen. Ewiges Wachstum sei ohnehin nicht möglich. Doch stimmt das?
Wer sich heute auf der Seite des «Guten» wahren will, hat das «grenzenlose Wirtschaftswachstum» anzuprangern. Buchtitel wie «Die Tyrannei des Wachstums», «Die Grenzen des Wachstums» und «Wohlstand ohne Wachstum» sind «en vogue». Das kommerzielle Marketing schwatze der Konsumgesellschaft ohnehin zunehmend künstliche Bedürfnisse auf. Diese seien nicht nur für die Menschen schlecht, die sich so zunehmend entwurzelten, sondern auch für die Umwelt, die dadurch verschmutzt werde.
Wer sich diese Phrasen anhört, mag zunächst zustimmend nicken. Niemand will schliesslich bewusst Mensch und Umwelt schaden. Doch ist eine wachsende Wirtschaft tatsächlich vergleichbar mit einem Krebsgeschwür, das unsere Gesellschaft und die Umwelt aus dem Gleichgewicht bringt? Die Antwort lautet Nein.
Im Grunde genommen ist an einer wachsenden Wirtschaftsleistung überhaupt nichts Negatives auszumachen. Dies bedeutet zunächst lediglich einmal, dass mehr menschliche Bedürfnisse befriedigt werden können als zuvor. Eine wachsende Wirtschaft bedeutet mehr Mittel für eine gesunde Ernährung, die Bildung, die Kultur, die Gesundheit, die Bedürftigen und die Umwelt. Mehr Wirtschaftswachstum führt also zu einer höheren Lebensqualität. Es künstlich aufzuhalten ist gleichbedeutend mit einer Beschränkung des menschlichen Potenzials, Probleme zu lösen und Bedürfnisse zu befriedigen.
Warum sich Wachstumskritiker irren
Als Angehöriger einer Wohlstandsgesellschaft – und darin womöglich noch der mittleren oder oberen Einkommensschicht zugehörig – ist es natürlich einfach zu sagen, dass nun genug sei und man mit dem zufrieden sein sollte, was man hat. Wirtschaftswachstum ist jedoch vor allem für Entwicklungsländer und niedrigere Einkommen eine Chance. Wer das Wirtschaftswachstum unterbinden will, klaut den Armen die Chance, zu prosperieren und zu gedeihen.
Manchmal begründen Wachstumskritiker ihre Position damit, dass das Wachstum der Industrieländer den Entwicklungsländern schade, weil man ja anderen etwas «wegnehmen» müsse, um selbst mehr zu bekommen. Doch dahinter versteckt sich der sogenannte Nullsummen-Irrtum. Die Weltwirtschaft ist kein Geburtstagskuchen, der jedes Jahr in gleicher Grösse gebacken wird und lediglich «fair verteilt» werden muss. Je marktwirtschaftlicher die Bedingungen in einem Land sind, desto grösser ist der Kuchen, der für die jeweiligen Bewohner gebacken werden kann. Diese nehmen anderen dabei nichts weg.
Der rasante Aufstieg Chinas etwa ist nicht einhergegangen mit einer entsprechenden Verarmung von anderen Regionen der Welt. Vielmehr ist es dort durch marktwirtschaftliche Reformen gelungen, Milliarden von Menschen aus der Armut zu befreien – und gleichzeitig die Lebensstandards im Westen dank tieferen Konsumentenpreisen zu erhöhen. Die weltweite Armut konnte in den letzten paar Jahrzehnten trotz massivem Bevölkerungswachstum stark reduziert werden, was die These eindeutig widerlegt, dass wir es mit einem stetig gleichbleibenden Kuchen zu tun hätten. Ein Land muss sich also nicht schämen, wenn seine Wirtschaft wächst. Vielmehr dürfen die Leistungsträger auf das Geleistete stolz sein, weil damit immer mehr Bedürfnisse von immer mehr Menschen befriedigt werden können.
Das Post-hoc-Argument der Antikapitalisten
Anhänger des Sozialismus fanden noch nie ein gutes Haar am Kapitalismus. Doch die Argumente haben sich im Laufe der Zeit verändert. Warf man dem Kapitalismus früher vor, er führe zur «Ausbeutung und Verarmung der Arbeiterklasse», verschob sich die Argumentationsweise nach dem enormen Wohlstandsboom nach dem Zweiten Weltkrieg rasch hin zur Behauptung, der Kapitalismus führe zu einer «materialistischen Konsumgesellschaft» und zu einem «verschwenderischen Überfluss». Dabei handelt es sich jedoch offensichtlich um ein Post-hoc-Argument, das nachträglich formuliert wurde, um den Kapitalismus trotz seiner Erfolge abzulehnen und das extensive Eingreifen des Staates doch irgendwie rechtfertigen zu können.
In der Tat wimmelt es im Kapitalismus nur so vor Waren, Dienstleistungen und Innovationen. Manche sind von diesem reichhaltigen Angebot überfordert und behaupten, sie bräuchten all die Dinge gar nicht. Doch wirklich ernst meint das niemand. Die meisten Menschen schätzen die grosse Auswahl an Lebensmitteln, Kleidern, Wohnungen, Inneneinrichtungen, Transportmitteln, Versicherungen und Bücher, die ihnen der Kapitalismus bietet. Wenn Dinge kaputtgehen, wollen sie, dass es umgehend repariert wird oder Alternativen zur Verfügung stehen. Sie lieben den Fortschritt und dass man fürs Telefonieren, Nachrichten-Verschicken und den Zugang zu enormen Wissensdatenbanken heute praktisch kein Geld mehr ausgeben muss. Sie schätzen schnelles, kabelloses Internet, die vielen Varianten der Mobilität und den ständig steigenden Komfort, der von der Marktwirtschaft und vom Wettbewerb der Anbieter um die Gunst der Kunden ausgeht.
Es ist natürlich einfach, in einem Einkaufszentrum zu stehen, mit gerümpfter Nase mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen «Schaut euch diesen dämlichen Konsumwahn an!» Doch letztlich sind wir alle Teil der «Konsumgesellschaft», weil dies lediglich bedeutet, Güter und Dienstleistungen zu beziehen, die unser Leben verbessern. Was ist denn daran so verwerflich? Und wer macht sich dieser Tat nicht selbst schuldig? Von Klimademos erfahren die Teilnehmer via Social Media Plattformen auf ihren Smartphones, und machen sich dann mit ihren modernen Nike-Sneakers und mit einem Starbucks-Coffee «to go» in der Hand auf, um gegen die «kapitalistische Konsumgesellschaft» zu protestieren. Willkommen im Reich der Absurditäten.
Wahlfreiheit statt Bevormundung
Doch kaufen Menschen überflüssige Dinge, auf die sie verzichten könnten? Bestimmt. Wer aber soll sich nun die Entscheidung anmassen, darüber zu befinden, ob ein Kauf nun einem «echten Bedürfnis» dient oder bloss ein unnötiger Einkauf war? Etwa die Politik? Oder ein Diktator, der je nach Präferenz wieder andere Güter für «notwendig» erachtet? In welches Elend und Chaos eine solche planwirtschaftliche und zentralstaatliche Lösung führt, haben die unzähligen sozialistischen Experimente unlängst vor Augen geführt.
Viel besser, friedlicher und machtpolitisch unbedenklicher ist es daher, wenn jeder Mensch für sich selbst entscheiden kann, für was er seine Mittel einsetzen möchte. Anbieter sollen sich frei um die Gunst der Kundschaft bewerben dürfen. Ja, nicht alle Bedürfnisse dienen dem reinen Überleben, doch sind sie deswegen zu verurteilen? Warum sollte die Selbstverwirklichung in einer liberalen Gesellschaft nicht erstrebenswert und erlaubt sein?
Heute versucht man uns weiszumachen, der Konsum habe etwas Obszönes. Wir werden dazu aufgefordert mit unserem Lebensstil wieder näher zur Natur zurückkehren: Wir sollen nicht mehr fliegen und Auto fahren, unseren Strom nur noch via Sonne und Wind einholen, uns schämen, wenn wir Dinge online bestellen und sie zu uns nach Hause liefern lassen. Wir sollen besser wieder einen Komposthaufen anlegen und uns einen eigenen Gemüsegarten anbauen. Bei diesen Forderungen schwingt eine grosse Portion Sehnsucht nach dem Unterentwickelten mit. Sie stellen einen Versuch dar, die unabwendbaren Resultate des Sozialismus schönzufärben, indem man Rückständigkeit als etwas Tolles und Überfluss als etwas moralisch Verwerfliches darstellt.
Ist unendliches Wachstum möglich?
Doch ist unendliches Wachstum nicht ein Hirngespinst marktwirtschaftlicher Träumer? Genügt nicht bereits der Hinweis auf die Knappheit natürlicher Ressourcen, um zu zeigen, dass ewiges Wachstum eine Illusion ist? Nein. Wenn von Wirtschaftswachstum die Rede ist, bezieht sich dies nicht allein auf die Quantität der produzierten Güter, sondern vor allem auch auf die Qualität. Wachstum ist, wenn mehr Bedürfnisse befriedigt werden können als zuvor.
Es geht den meisten nicht unbedingt darum, dass man statt einem Auto zehn Autos in der Garage stehen hat. Fast noch wichtiger scheint die Qualität des Produkts, die sich dank Wettbewerb zwischen den verschiedenen Anbietern enorm verbesserte: Heute wurde z.B. die Sicherheit des Autofahrens dank diversen Innovationen wie Autogurten, Airbags, Antiblockiersystem (ABS) ebenso erhöht, wie der Komfort in Form von automatischen Fensterscheiben, Automatikgetriebe, Stereoanlage und eingebautem GPS. Autofahren wurde so immer angenehmer und weniger riskant, was offensichtlich vielen Menschen sehr entgegenkam.
Wenn man begreift, was Wachstum tatsächlich bedeutet, ist unendliches Wirtschaftswachstum durchaus realistisch, wenn man der unternehmerischen Kreativität und Innovation keine regulatorischen Grenzen setzt.
Markt und Umwelt gehen Hand in Hand
Ein freies Wirtschaftssystem steht nicht im Widerspruch zur Ökologie, wie immer wieder behauptet wird. Die Marktwirtschaft hat beispielsweise das Kunststück vollbracht, immer mehr Produkte mit immer weniger Ressourcen hervorzubringen. Überlegen Sie sich nur einmal, wie viele ursprünglichen Produkte durch Ihr Smartphone verdrängt wurden: Nicht nur braucht es heute kaum noch Telefonkabinen, die unser Strassenbild früher prägten. Auch der heimische Telefonapparat, GPS-Geräte, dicke Telefonbücher und Lexika, DVD-Player und Videorecorder, Kassetten und CDs und viele mehr – all diese Produkte müssen heute nicht mehr oder nicht mehr im selben Umfang hergestellt werden. Die Marktwirtschaft wirkt deshalb enorm ressourcenschonend.
Wirtschaftswachstum ist im Übrigen auch sonst keine Gefahr für die Umwelt: Es ist offensichtlich, dass eine freie Marktwirtschaft das Wohlstandsniveau erheblich ansteigen lässt. Die Umwelt ist ein Luxusgut, für das die Nachfrage mit steigendem Einkommen überproportional zunimmt. Erst wenn man es geschafft hat, sich selber und seine eigenen Kinder mit Nahrung und Bildung zu versorgen, kann man sich für einen besseren Umweltschutz einsetzen. Die ehemalige indische Innenministerin Indira Gandhi brachte diese treffend auf den Punkt:
«Sind nicht Armut und Entbehrung die grössten Verschmutzer? Wie können wir mit denen, die in den Dörfern und Slums leben, über die Reinhaltung der Ozeane, der Flüsse und der Luft sprechen, wenn doch ihre eigenen Leben an der Quelle verunreinigt sind? Die Umwelt kann unter Bedingungen der Armut nicht verbessert werden.»
Wem also die Ökologie und der Mensch am Herzen liegt, muss sich für ein Wirtschaftssystem einsetzen, das den Lebensstandard möglichst vieler Menschen anhebt. Nur so können sich immer mehr Leute dem Umweltschutz widmen. Erfahrungsgemäss führt einzig eine Politik, die sich weitgehend aus dem Wirtschaftsleben heraushält zu diesem Ergebnis. Was die Umwelt also braucht, sind keine zentralstaatlichen Interventionen, um angeblich schädliches Wirtschaftswachstum auszubremsen, sondern liberale Reformen, welche die staatliche Entmündigungsquote erheblich reduzieren.
Dieser Beitrag ist in der Jungen Freiheit erschienen.