Der Rechtspositivismus setzt für die Anerkennung von Recht und dem rechtlichen Regelfolgen allein auf die staatlich gesetzten und durchgesetzten Rechtsnormen. Damit bedarf der Rechtspositivismus keiner anderen Legitimation oder logischen Begründung, als seine formale Ableitung aus der staatlichen Aktivität — oder Macht. Die einzige überpositive Norm, welche im Rechtspositivismus gilt, ist die Tautologie «Gesetz ist Gesetz».
Die Alternative zum Rechtspositivismus ist die Naturrechtslehre. Gemäss ihr geht das Recht und das rechtliche Regelfolgen auf überpositive Ideen zurück, etwa auf die Natur des Menschen. Innerhalb der Naturrechtslehre gelten gewisse Rechte unbedingt, weil sie normativ vor der staatlichen Verfügungsgewalt stehen.
Der Rechtspositivismus kann zum Ende des Rechtsstaats führen. Ihm nach ist der Staat befugt, alle möglichen Rechtsnormen zu erlassen und sie durchzusetzen. Enteignung, Einsperrung oder Zwang können rechtspositivistisch jederzeit begründet und legitimiert werden, wenn der Staat in seinen rechtlich-administrativen Prozessen die entsprechende Norm für die Enteignung, Einsperrung oder den Zwang erlässt.
Doch auch die Naturrechtslehre kann zum gleichen Ergebnis führen. Üblicherweise werden die Menschenrechte als naturrechtliches Bollwerk gegen unterdrückende Massnahmen angeführt. Das setzt aber voraus, dass normativ das Naturrecht als Individualrechte auslegt wird. Naturrechtlich können aber genauso gut andere Standpunkte in den Mittelpunkt gesetzt werden, etwa die Gemeinschaft, die Gesellschaft, oder die natürliche Umwelt.
Jedes System, auch der Rechtsstaat, ist in stetiger Gefahr, sich zu pervertieren. Selbst institutionelle Regeln gegen seine Pervertierung können pervertiert werden. Umso mehr sind Liberale aufgerufen, Charakterstärke zu zeigen sich für liberale Rahmenbedingungen einzusetzen. Der Rechtstaat endet nämlich dann, wenn Liberale ihm vertrauen.
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