Eine wesentliche Säule, auf welche die Schweizer besonders stolz sind, ist das Milizprinzip. Öffentliche Aufgaben werden nebenberuflich oder in der Freizeit ausgeübt. Nach diesem Ideal lebten viele unserer Vorfahren. Doch der Milizgedanke verflüchtigt sich, das Idealbild bröckelt – schon seit Jahrzehnten. Die Klagen, wonach man kaum noch Nachwuchs in den Gemeinderäten und in den Vereinen findet, sind unüberhörbar.
Woran liegt das? Und wie kann man die Bürger wieder zu vermehrtem ehrenamtlichem Engagement motivieren? Die Frage ist keine nebensächliche, denn wenn keine Leute mehr auffindbar sind, die sich für möglichst gute Lebensbedingungen auf Lokalebene einsetzen, stirbt nicht nur das Milizprinzip, sondern mit ihm auch der Föderalismus und der Standortwettbewerb. Damit wäre die zentrale Erfolgssäule der Eidgenossenschaft dahin. Die Folge wäre, dass wir uns über kurz oder lang von den internationalen Spitzenrängen in verschiedenen Indexen verabschieden müssten.
Wer das Milizprinzip retten will, kommt um die Betrachtung der folgenden Faktoren nicht herum.
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Subsidiarität statt Zentralisierung
Ein schädlicher und unnötiger Trend der letzten Jahrzehnte war es, immer mehr Kompetenzen von den Gemeinden an die Kantone, von den Kantonen nach Bundesbern und von der Bundesstufe an internationale Gremien wegzudelegieren. Milizpolitiker haben auf lokaler Stufe immer weniger Entscheidungsbefugnisse. Je tiefer angesiedelt, desto mehr verkommt man zum reinen Ausführungsorgan und Befehlsempfänger. Wieso also seine wertvolle Zeit investieren, wenn man am Ende ohnehin nichts bewirken kann?
Es gilt, die Kompetenzen nach dem Subsidiaritätsprinzip wieder an die tiefstmöglichen Instanzen zurückzudelegieren. Oftmals ist dies das Individuum, manchmal die Gemeinde oder der Kanton, nur in den seltensten Fällen der Bund. Schon gar nicht ist es eine internationale Organisation, weshalb die Schweiz aus den meisten dieser Organisationen wie etwa der UNO austreten sollte. Die Bundesverfassung muss total revidiert werden, die meisten Bundesämter und Bundeskompetenzen dürfen ersatzlos gestrichen werden, weil sie von tieferen Stufen viel bürgernäher wahrgenommen werden könnten. Damit steigt der Anreiz für die Bürger, sich wieder auf lokaler Ebene zu engagieren, weil man dann tatsächlich etwas bewegen kann.
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Richtige Entschädigungsanreize setzen
Hinzu kommt, dass wir es auf Bundesebene mit nicht gerade löblichen Vorbildern zu tun haben. Bundesparlamentarier gehören zu den Bestverdienern des Landes. So bezieht ein Ständerat im Durchschnitt über 140’000 Franken pro Jahr an Entschädigungen – für eine Teilzeitarbeit. Auf kantonaler oder lokaler Ebene liegen die Entschädigungen hingegen viel tiefer. Im Kanton Zug etwa beträgt der jährliche Gesamtlohn pro Kantonsrat zwischen 6’000 und 8’000 Franken. Das erklärt auch, weshalb so viele für das nationale Parlament kandidieren und sich wenige für die schlechter bezahlte Lokalpolitik begeistern lassen.
Bundesparlamentarier sollten mit gutem Vorbild vorangehen, um das Milizprinzip zu retten. Sie sollten von ihrer exorbitanten Entschädigung auf Kosten der Steuerzahler wegkommen und sich in Zukunft faire Löhne auszahlen, die mit jenen auf lokaler Stufe vergleichbar sind. Durch die Beseitigung dieses Missverhältnisses könnten wieder mehr Leute angeregt werden, sich auf lokaler Ebene zu engagieren, anstatt dem grossen Geld in Bundesbern nachzurennen. Weil das Parlament hier selbst keine Schritte einzuleiten gedenkt, ist eine entsprechende Volksinitiative zu starten.
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Entstaatlichung statt Politisierung
In den letzten Jahrzehnten hat das Volumen und das Ausmass der Regulierungen, Verbote und Einschränkungen wie auch die Panikmache in Bezug auf Krankheitswellen und den angeblichen Klimaweltuntergang dermassen zugenommen, dass parallel dazu auch die tatsächlichen oder wahrgenommenen Chancen und Möglichkeiten zerronnen. Die Aufbruchstimmung, die in der Schweiz des 19. Jahrhunderts herrschte und zu enormem Wohlstandsschub führte, ist einer ängstlichen Null-Risiko-Gesellschaft gewichen, die alle möglichen Risiken wegregulieren will, gleichzeitig aber auch alle Chancen vernichtet. Wer grundsätzlich pessimistischer in die Zukunft blickt, sitzt mental vielleicht schon auf gepackten Koffern oder wartet auf die Virus- oder Klimaapokalypse und investiert weniger in die Zukunft dieses Landes. Das Milizengagement lässt nach.
Mit der Überregulierungsseuche eng verwandt ist der stagnierende oder sogar abnehmende Wohlstand. Denn wirtschaftswissenschaftlich gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Lebensstandards und wirtschaftlicher Freiheit (dokumentiert etwa im Index wirtschaftlicher Freiheit, der durch das Liberale Institut mitherausgegeben wird). Eine Zeit lang konnte die inflationäre Geldpolitik über diese Tatsache hinwegtäuschen, indem das Bruttoinlandprodukt durch die Geldschöpfung aus dem Nichts aufgebläht wurde. Die Folge war eine Wohlstandsillusion. Doch mittlerweile merkt es der Hinterste und Letzte: Alles wird immer teurer. Jüngere Familien können sich aus eigenem Antrieb kaum mehr ein Eigenheim leisten, die Inflation frisst allfällige Lohnerhöhungen gleich wieder weg. Die materiellen Sorgen nehmen zu: Man schaut folglich vermehrt auf sich selbst und den allerengsten Kreis, um sich. Da bleibt schlichtweg keine Zeit mehr für den Einsatz fürs Gemeinwohl. Anstatt sich im Verein ehrenamtlich zu engagieren, entscheidet man sich so eher für einen Nebenjob, eine zusätzliche Einnahmequelle.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass eine Entpolitisierung, ein Zurückdrängen des übergewichtigen Staatsapparats zu mehr Wohlstand führt. Mehr Wohlstand hilft dabei, Herausforderungen einfacher anzugehen: Je höher der Wohlstand und je besser die eigenen Bedürfnisse gestillt sind, desto mehr richtet sich das Augenmerk von sich selbst nach aussen – auf das Wohl der Kommune und der Gemeinde. Der erdrückende Pessimismus dürfte schon bald verfliegen. Hoffnung und Zukunftsoptimismus dürften sich wieder breitmachen und das Milizengagement stimulieren.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wer das Milizprinzip retten will, setzt auf Dezentralisierung und Entstaatlichung.
Dieser Beitrag ist am 14. Februar 2024 in der Finanz und Wirtchaft erschienen.