Negatives hat einen grossen Einfluss auf unsere Wahrnehmung und unsere Entscheidungen. Angst und das Versprechen von Sicherheit sind ein zentrales Motiv politischer Debatten, keineswegs nur in Krisen. Mit Ausnahme des Anarchismus suchen alle politischen Bewegungen Schutz vor ihren Ängsten bei der Macht des Staates — auch der klassische Liberalismus, dessen Begeisterung für den Rechtsstaat dem Wunsch nach Schutz vor willkürlichem Unrecht entspringt.
Ein Mangel an Aktivität kann das Ansehen politischer Entscheidungsträger schnell und nachhaltig beschädigen. Das Ergreifen selbst einer unwirksamen oder gar kontraproduktiven Aktivität wird dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger schädliche politische Wirkungen für die Entscheidungsträger nach sich ziehen, weil die Bewertung der gewählten Aktivität in den Kontroversen der politischen Debatte stets streitbar bleiben wird. Es gibt also einen Hang zur politischen Handlung.
Die Macht des Negativen in Verbindung mit dem Hang zur Handlung führt in einem System staatlich organisierter Gesellschaften, zumal demokratischer Staaten, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Bürger nicht nur allzu häufig sorgenvoll auf Bedrohungen blicken, sondern von der Politik die Abwendung dieser Bedrohungen erwarten.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Wunsch nach Sicherheit unvermeidlich die Freiheit sterben lässt. Der Mensch maximiert sein Glück nicht, indem er jede Autonomie abgibt und sich, restlos entmündigt, umhegen und umpflegen lässt. Denn der Macht des Negativen steht das Glück der Freiheit entgegen. Und im Spannungsverhältnis zwischen diesen Kräften nimmt der Hang zur Handlung eine durchaus ambivalente Rolle ein. Er kann dazu verleiten, nach immer mehr staatlicher Intervention zu rufen. Doch ebenso kann er sich in einem Ausbruch aus staatlicher Gängelung äussern, im Abschütteln von Ketten, im Ruf nach Entscheidungsfreiheit und Autonomie.
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