Die Gesundheitssysteme des Westens befinden sich in der Regulierungsfalle: Wohlmeinende politische Eingriffe rufen immer häufiger negative Resultate hervor, die ihrerseits durch weitere Regulierungseingriffe korrigiert werden sollen. Steigende Kosten, die Verhinderung von Innovationen und eine abnehmende Versorgungsqualität sind die unvermeidbaren Folgen. Ein Beispiel für die Wirkung der Regulierungsfalle im Gesundheitssektor stellt der Medikamentenmarkt dar – oder das, was von diesem Markt heute noch übrig geblieben ist.
Zulassungsstellen wie die Swissmedic in der Schweiz, die Europaeische Arzneimittelagentur (EMA) auf Ebene der EU, oder die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) haben hier, zum Teil aus einer Art falsch verstandenen Konsumentenschutz heraus, die Rolle der „Qualitätsgaranten“ übernommen, und entscheiden über die Zulassung und Verfügbarkeit von Medikamenten – häufig im Rahmen jahrzehntelanger und milliardenverschlingender Prozesse. Zunehmend werden Arzneimittel dabei auch nach ihrer Zulassung einer behördlichen Überwachung unterworfen.
Die Konsequenz: die Verfügbarkeit eines Medikaments ebenso wie seine Kosten beruhen heute weniger auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, technologischen Innovationen oder marktwirtschaftlichen Anreizen, sondern sind massgeblich politisch determiniert. Übliche Marktmechanismen der Qualitätssicherung, wie die Produkthaftung, Kundeninformation durch Beipackzettel, sowie unabhängige Gütesiegel und öffentliche Produkttests werden immer stärker vernachlässigt. An ihre Stelle treten bürokratische Risikoabwägungen, die oft willkürlich erscheinen, wie ein aktuelles Beispiel auf europäischer Ebene zeigt:
Nach einem langwierigen Zulassungsverfahren wurde hier Anfang 2011 ein neues Mittel zur Behandlung der schwerwiegenden chronischen Erkrankung Multiple Sklerose namens „Gilenya“ durch die Europäische Arzneimittelagentur zugelassen. Unter den zehntausenden Patienten, die seitdem mit dem neuen Medikament behandelt wurden, verstarb in den USA ein Patient innerhalb von 24 Stunden nach dessen erstmaliger Einnahme. Obgleich die Todesursache vorerst unbekannt bleibt, und das Medikament in den USA weiterhin als „sicher“ eingestuft wird, war die darauffolgende Medienberichterstattung Anlass genug für die Arzneimittelverwalter der EMA, eine offizielle Revision des Medikaments bekanntzugeben. Womit die Regulierungsfalle des Gesundheitsmarktes weiter zuschnappt, denn zu erwarten ist, dass zahlreiche Patienten und ihre behandelnden Ärzte angesichts dieser Entwicklung von der Nutzung des Medikaments zurückschrecken werden.
Möglicherweise ist „Gilenya“ dabei nur das erste einer Reihe von Opfern staatlichen Kontrolleifers. Immerhin wurden der US-Regulierungsbehörde FDA bereits beinahe 800 Todesfälle im Zusammenhang mit anderen Multiple Sklerose Medikamenten gemeldet. Werden diese nun alle einer langwierigen Revision unterzogen? Welche Behandlungsoptionen bleiben dann den betroffenen Patienten noch offen?
Die auf den ersten Blick erschreckende Opferzahl zeigt in Wahrheit vor allem Eines: die Abwägung der Qualität und Sicherheit oder des Risiko/Nutzen-Profils eines Medikaments ist eine höchst komplexe Angelegenheit und letztlich nur vor dem Hintergrund der Situation und Bedürfnisse spezifischer Patienten zu bewerkstelligen. Des Einen Gift kann schnell des Anderen Heilung sein. Bürokratische Gleichmacherei und Risikovermeidung muss daher vor der Herausforderung individueller Medikamentenversorgung scheitern.
Ironischerweise, schadet die EMA mit ihrer Intervention genau jener Klientel, deren Schutz sie sich verschrieben hat: den Patienten, deren Zustand sich unter Einnahme neuartiger Medikamente verbessern könnte. Darüber hinaus zählen jedoch auch aktuell nicht betroffene Konsumenten zu den Verlierern, da bürokratische Überreaktionen unweigerlich zu einer weiteren Verlangsamung und Verteuerung der Patientenversorgung führen. Die britische Zulassungsstelle National Institute for Health and Clinical Excellence hat dies für die Praktiken der europäischen Arzneimittelzulassung sogar freimütig zugegeben. Tatsächlich sinkt der europäische Anteil an Investitionen in medizinische Forschung sowie klinische Medikamententests im globalen Vergleich kontinuierlich ab.
Wie wird die Politik wohl auf die selbstverschuldete Verlangsamung und Verteuerung der Gesundheitsversorgung reagieren? Der nächste Schritt in die Regulierungsfalle zeichnet sich bereits ab: die Bekämpfung steigender Medikamentenpreise durch staatliche Preiskontrollen. Erneut wären dann die Patienten die Leidtragenden einer bürokratischen Zerstörung von Innovationspotentialen. Was heute Not tut, ist somit nicht eine weitere Eskalation, sondern ein Ausweg aus der Regulierungsfalle.
Tatsache ist: Nur eine Rückkehr zu den disziplinierenden Anreizen eines freien Wettbewerbs kann die Innovationsgeschwindigkeit und Kosteneffizienz des Gesundheitswesens bei hohen Qualitätsstandards garantieren. Konsumenten- und Ärztesouveränität in Verbindung mit unabhängigen Überwachungsinstanzen und strengen Haftungsvorschriften stellen eine Alternative zur zunehmenden Austrocknung von Innovationszugängen durch eine übereifrige Bürokratie dar. Nur so lässt sich der Infarkt eines überregulierten Gesundheitssystems vermeiden.