Um überleben zu können, müssen wir arbeiten. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft produzieren wir jedoch nicht mehr alles selbst, was wir benötigen. Wir lassen andere für uns arbeiten und arbeiten für andere. Wir konzentrieren uns auf die Dinge, die uns besonders liegen und die wir besonders beherrschen. Von diesen Dingen stellen wir mehr her als für unseren Eigenbedarf. Die überschüssigen Erzeugnisse bieten wir unseren Mitmenschen zum Verkauf an. So gelangen wir an Tauschgüter wie z.B. Geld, um damit andere Dinge zu erwerben, die wir nicht selbst produziert haben. Durch diese Arbeitsteilung und Spezialisierung profitieren wir alle, weil damit die Produktivität enorm gesteigert werden kann – und damit der Wohlstand.
Natürlich ist es den Menschen freigestellt, sich in Organisationen zusammenzuschliessen, um die anfallenden Arbeiten zu organisieren. So wurden Unternehmen gegründet, die Arbeitskräfte und Kapital so organisieren, damit sie einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen können. Es entstanden in der Folge Arbeitsmärkte, wo Unternehmen miteinander um die geeignetsten und besten Arbeitskräfte konkurrierten. Auf diesen Märkten trifft die Nachfrage nach spezifischen Arbeitskräften auf das Angebot an Arbeitswilligen mit entsprechenden Qualifikationen. Ohne Arbeitsmärkte ist eine arbeitsteilige Gesellschaft nicht denkbar.
Wo liegt das Problem?
Problematisch ist, wenn der Staat mit seinen Zwangsinstrumenten in den freien Arbeitsmarkt eingreift und ihn damit in einen unfreien Arbeitsmarkt verwandelt. Damit reduziert der Staatsapparat die Funktionsfähigkeit, erhöht die Transaktionskosten und schmälert den gesellschaftlichen Wohlstand. Nachfolgend betrachten wir einige Staatsinterventionen und deren Wirkungen:
- Gesamtarbeitsverträge: Gesamtarbeitsverträge (GAV) können zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden geschlossen werden und gelten damit oft auch für unbeteiligte Dritte, die mit diesen Verbänden gar nichts zu tun haben. In diesen GAV können Anstellungsbedingungen wie Mindestlöhne, Ferien, Arbeitszeitvorschriften, Kündigungsschutz etc. festgelegt werden, die dann mithilfe staatlichen Zwangs auch jenen aufgenötigt werden, die damit nicht einverstanden sind. Selbst wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber freiwillig auf andere Arbeitsbedingungen einigen, können solche Bedingungen gerichtlich angefochten werden. Dies widerspricht einem freien Arbeitsmarkt diametral.
- Mindestlöhne: Wenn gesetzliche Mindestlöhne über dem Marktlohnniveau festgelegt werden, kommen sie einem Arbeitsverbot gleich. Und zwar einem Arbeitsverbot für weniger talentierte Arbeitskräfte, deren Produktivität sich unterhalb des Mindestlohns befindet. Eine Anstellung ist in diesem Falle für den Arbeitgeber nicht profitabel, da er mehr Lohn zahlen müsste, als ihm die Arbeitskraft an Nutzen einbringt. Gegen höhere Löhne ist natürlich nichts einzuwenden, sofern sich diese auf dem freien Markt herausbilden. Staatlich erzwungene Mindestlöhne führen jedoch zu höherer Arbeitslosigkeit und zu geringerem Wohlstand für alle.
- Arbeitszeitvorschriften: Im Schweizer Arbeitsgesetz sind Höchstarbeitszeiten festgelegt: Arbeiter in industriellen Betrieben, Büropersonal, technische und andere Angestellte sowie Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels dürfen höchstens 45 Stunden pro Woche arbeiten, alle anderen Arbeitnehmer höchstens 50 Stunden. An Sonntagen werden Arbeitnehmer (mit wenigen Ausnahmen) durch staatlichen Zwang am Arbeiten gehindert, selbst wenn sie das möchten (um zum Beispiel mehr Geld zu verdienen, um ihre Kinder auf eine gute Schule schicken zu können). Es soll hier nicht möglichst hohen Arbeitszeiten das Wort geredet werden, sondern der Vertragsfreiheit. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen dies frei entsprechend ihrer Präferenzen miteinander vereinbaren dürfen, da sie andernfalls an der Verwirklichung ihrer Lebensziele gehindert werden.
- Kündigungsschutz: Es ist für die dynamische Anpassung der Produktionsstruktur entscheidend, dass Arbeitsverträge leicht geschlossen und gegebenenfalls auch wieder aufgelöst werden können. Dies erlaubt die rasche Reallokation von Arbeitskräften zu den Orten, wo sie am dringendsten gebraucht werden, um die wandelnden gesellschaftlichen Bedürfnisse ideal zu befriedigen. Das Gesetz in der Schweiz ist zwar im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa Frankreich oder Italien liberaler ausgestaltet. Doch freie Vereinbarungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses sind auch hier nur eingeschränkt möglich. Unter einen Monat darf die Kündigungsfrist z.B. nur für das erste Dienstjahr herabgesetzt werden. Ausserdem gelten Kündigungen als missbräuchlich (und verleihen dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entschädigung), wenn der Arbeitnehmer sich z.B. bei einer Gewerkschaft engagiert und dem eigenen Betrieb durch Streiks schadet.
- Ferienvorschriften: Das Gesetz schreibt in der Schweiz jedes Jahr mindestens vier Wochen Ferien vor. Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden. Aus liberaler Sicht geht es natürlich nicht darum, weniger Ferien zu fordern. Es geht vielmehr um die Kritik, dass hier ein weiteres Mal von Staates wegen in die freie Aushandlung von Verträgen zwischen Privatpersonen eingegriffen wird. Es soll jedem freigestellt sein, was ihm wichtiger ist: Ferien oder andere Prioritäten.
- Einwanderungsbeschränkungen: Das Angebot an Arbeitskräften wird durch restriktive staatliche Einwanderungsgesetze wie eine bürokratische allgemeine Bewilligungspflicht sowie Arbeitsverbote für bestimmte Ausländer künstlich tief gehalten. Dadurch wird Arbeit verteuert, was sich in höheren Produktpreisen niederschlägt, die von allen bezahlt werden müssen. Restriktive Einwanderungsgesetze schaden in dieser Hinsicht auch dem Wohlstand der bereits ansässigen Bevölkerung: Natürlich würde sich ihr Lohn durch Einwanderung in den Arbeitsmarkt tendenziell auch verringern, doch dies könnte durch die Effekte der zusätzlichen Arbeitsteilung und die dadurch überproportional sinkenden Preise mehr als kompensiert werden. Mit dem geringeren Lohn könnte man sich also – entgegen der Intuition – einen höheren Lebensstandard leisten.
Liberale Vision
Der Wohlstand einer Gesellschaft fällt unter sonst gleichbleibenden Bedingungen umso höher aus, je unbehinderter Arbeitsmärkte ausgestaltet sind. In anderen Worten: Wenn jene, die ihre Arbeit anbieten, mit jenen, die Arbeit nachfragen, frei Verträge schliessen könnten,
- wäre es (1) möglich, dass sich die Produktion dynamischer an die wechselnden Bedürfnisse der Konsumenten anpasst, weil Arbeitskräfte für die Produktion der am meisten nachgefragten Güter eingesetzt sowie die Produktion weniger nachgefragter Güter rasch heruntergefahren werden könnten. Dadurch würde der Wohlstand erhöht, weil so Bedürfnisse besser, schneller und kostengünstiger erfüllt werden.
- wäre (2) die Menschenwürde im Sinne der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung besser gewahrt, weil die Vertragsparteien frei miteinander aushandeln könnten, was ihren Bedürfnissen am ehesten entspricht, ohne vom Staat bevormundet zu werden.
- würde (3) ungewollte Arbeitslosigkeit tendenziell auf ein Minimum reduziert. Warum? Menschliche Bedürfnisse sind unendlich und es wird immer Möglichkeiten geben, wie man sich für andere nützlich machen kann, um so ein Einkommen zu generieren. Es ist alles eine Frage von Angebot und Nachfrage und des Preises (des Lohns), der sich auf freien Märkten herausbildet. Solange Preise nicht staatlich manipuliert oder künstlich über das Marktlohnniveau erhöht werden, wird auch niemand vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen.
- würden (4) unter Marktkonditionen mehr Arbeitskräfte im Arbeitsmarkt ihre Dienste anbieten, als wenn der Staat diverse Arbeitssuchende vom Markt ausschliesst (z.B. mit Mindestlöhnen). Damit verringert sich tendenziell der Preis für Arbeit. Dies senkt die Produktionskosten und führt zu einem Absinken der Produktpreise. Der Wohlstand steigt in der Folge trotz sinkender Löhne, weil die Kaufkraft pro Geldeinheit überproportional steigt.
Weg zum Ziel
Folgende konkrete Reformschritte gilt es nun anzupacken:
- Individuelle Arbeitsverträge statt kollektivistische Gesamtarbeitsverträge: Um beim Aushandeln eines Arbeitsvertrags individuelle Bedürfnisse besser berücksichtigen zu können, ist eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes nötig. Dazu gehört die Erlaubnis, neu auch Verträge freiwillig abzuschliessen, die den bisherigen Zwangsvorgaben der Gesamtarbeitsverträge widersprechen. Niemand, der Gesamtarbeitsverträge nicht direkt unterschrieben hat, darf künftig zur Einhaltung solcher Vorgaben genötigt werden, weil es sich hierbei um eine illegitime Aggression handelt.
- Verbot von staatlich vorgeschriebenen Mindestlöhnen, Arbeitszeitvorschriften, Ferien und Kündigungsschutz: Mindestpreise für Arbeit, Höchstarbeitszeiten, eine bestimmte Ferienlänge oder Kündigungsmodalitäten vorzuschreiben liegt im Widerspruch zu einem freien Arbeitsmarkt. Damit die Menschen in den vollen Genuss der Vorteile eines freien Arbeitsmarktes kommen, dürfen dem Staat keine solchen Eingriffsrechte erteilt werden. Es gilt, die Vertragsfreiheit und damit ein zentrales Menschenrecht wieder herzustellen.
- Markteinwanderung: Arbeitsmärkte dürfen nicht abgeschottet werden, weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite. Wer sich unternehmerisch in der Schweiz betätigen will oder hier einer Arbeit nachgehen möchte, soll dies tun dürfen. Unter der Voraussetzung eines gültigen Arbeitsvertrags, einer Wohnmöglichkeit (z.B. Vorliegen eines Mietvertrags) und bei Nichtvorliegen schwerer strafrechtlicher Vergehen in der Vergangenheit, soll es Ausländern möglich sein, sich produktiv zu betätigen – zum Wohle aller. Natürlich bedarf eine solche Markteinwanderung auch eine Beseitigung von Fehlanreizen wie etwa den einfachen Zugriff auf sozialstaatliche Leistungen.
Olivier Kessler
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch Freiheitsdiät: Rezepte für eine fitte Schweiz von Olivier Kessler.



