Wir leben nicht im Paradies. Um zu überleben, müssen wir produktiv sein. Nahrung wächst uns nicht in den Mund. Sie muss im Falle von pflanzlichen Lebensmitteln angebaut, bewässert und geerntet, im Falle von tierischen Lebensmitteln gezüchtet, beschützt und geschlachtet werden. Um die bittere Kälte im Winter zu überstehen, benötigen wir warme Kleider, die nicht einfach so da sind, sondern von irgendjemandem hergestellt werden müssen. Das Haus und das Dach über unserem Kopf muss auch von jemandem gebaut und instand gehalten werden. Pflaster, Verbandsmaterial und Medikamente, die uns bei potenziell tödlichen Verletzungen helfen, liegen nicht einfach herum, sondern müssen produziert werden.
Damit all diese überlebensnotwendigen Bedürfnisse aus individueller Sicht abgedeckt werden können, gibt es drei Optionen: (1) Wir stecken unsere eigene Arbeit unmittelbar in die Sicherstellung dieser Grundbedürfnisse; (2) wir bedrohen jemanden, für uns diese Leistungen zu erbringen; (3) wir bitten andere darum, für uns diese Arbeiten zu verrichten, indem wir ihnen eine Gegenleistung im Tausch anbieten. (1) ist ohne Arbeitsteilung sehr schwierig zu meistern, weil wir kaum in der Lage sind, auf uns selbst gestellt all die dazu nötigen Ressourcen zu gewinnen und die erforderlichen Fähigkeiten zu erlernen, um die entsprechenden Güter zu produzieren. (2) ist unmoralisch und kriminell – und führt dazu, dass wir uns selbst gefährden, indem wir zur Zielscheibe der Ausgeplünderten werden. Es bleibt rechtschaffenen Bürgern also nur eine Kombination von (1) und (3) oder sogar ausschliesslich (3).
Das bedeutet im Klartext: Wir alle müssen unseren Mitmenschen in der einen oder anderen Form Güter und Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die diese schätzen. Nur, wenn sie diese schätzen, werden sie sie freiwillig beziehen wollen und uns im Gegenzug Güter anbieten, die wir für unser Überleben und Gedeihen benötigen.
Welche Güter und Dienstleistungen unsere Mitmenschen schätzen, unterliegt einem ständigen Wandel. Nicht nur unterscheidet sich dies von Person zu Person aufgrund unterschiedlicher Präferenzen, Ziele und Wünsche. Auch im Zeitablauf verändert sich unsere Wertschätzung laufend aufgrund sich ändernder Umstände und Ziele.
Daher ist Bildung überlebenswichtig. Wir müssen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, um Dinge zu produzieren oder Dienstleistungen anzubieten, die unsere Mitmenschen schätzen. Je nach Begabung, Intensität der praktischen Einübung und Hingabe werden wir immer besser in dem, was wir tun. So können wir unsere Qualität und Produktivität steigern. Dadurch erlangen wir wiederum eine höhere Wertschätzung durch unsere Mitmenschen und können zudem unseren persönlichen Lebensstandard steigern.
Wie erhöhen wir unsere Lebensstandards?
Der gesamtgesellschaftliche Wohlstand wächst offensichtlich nicht, wenn jemand andere bedroht und Zwang anwendet, weil er so ja jemandem etwas wegnimmt und damit der Gesamtgesellschaft nichts hinzufügt.
Vielmehr kann der gesamtgesellschaftliche Wohlstand durch die folgenden Vorgänge erhöht werden.
Erstens durch den freiwilligen Abschluss von Verträgen unter Wahrung der Eigentumsrechte, aus denen alle involvierten Parteien einen Nutzen ziehen. Verträge werden nur abgeschlossen, wenn die Vertragsparteien erwarten, dass sie sich damit besser stellen. Ein Kaufvertrag etwa kommt nur zustande, weil die Vertragsparteien das jeweils andere Gut höher schätzen, als dasjenige, das sie herzugeben bereit sind. Wer beim Pizzaiolo eine Pizza für 20 Franken erwirbt, schätzt die Pizza in diesem Moment als wertvoller für ihn ein als die 20 Franken (z.B. weil er Hunger hat). Der Pizzaiolo hingegen schätzt in diesem Moment die 20 Franken mehr als die Pizza (weil sein Hunger womöglich bereits gestillt ist und er Geld für die Ausbildung seiner Tochter auf die Seite legen will). Sonst würde er die Pizza nicht hergeben. Der Wohlstand beider Vertragsparteien ist gewachsen, weil beide nun über Güter verfügen, die sie als wertvoller einschätzen als die hergegebenen Güter. Der Wert einer Sache steckt eben nicht in der Sache selbst, sondern in der individuellen Bewertung, inwiefern diese Sache der persönlichen Zielerreichung dienlich ist.
Zweitens erhöht Arbeitsteilung und Spezialisierung den Wohlstand. Warum? Wir alle haben unterschiedliche Talente, Fähigkeiten und Begabungen. Wenn wir uns die anfallenden Arbeiten aufteilen und uns auf das spezialisieren, was wir besonders gut können oder woraus wir eine besonders grosse Befriedigung ziehen, ist allen gedient. Denn so haben wir mehr Freude an unserer Arbeit und können andererseits die Gesamtproduktivität steigern. Natürlich ist es eine wesentliche Voraussetzung, dass Menschen frei miteinander tauschen können, um die eigenen Leistungen auf dem Markt anbieten zu können und jene Güter nachzufragen, die sie selbst nicht herstellen. Ohne wirtschaftliche Freiheit würde das also nicht funktionieren.
Drittens kann der Wohlstand der Gesellschaft auch durch Sparen und Investieren erhöht werden. Wenn erwirtschaftete Mittel nicht unmittelbar in den Konsum fliessen, können diese investiert werden, um die Güterproduktion in der Zukunft zu erhöhen – etwa durch ausgeklügeltere Produktionsmethoden oder stärkere Maschinen. Durch den Verzicht des sofortigen Konsums kann das Konsumpotenzial (und damit der Wohlstand) in der Zukunft erhöht werden.
Und was ist mit Innovationen?
Welche Rolle spielen Innovationen in diesem Wohlstandsbildungsprozess? Innovation ist für sich genommen nicht zwingend ein wohlstandserhöhender Faktor. Denn wenn Innovationen z.B. keine menschlichen Bedürfnisse befriedigen, so sind sie eine nutzlose Verschwendung knapper Ressourcen und reduzieren den Wohlstand. Gleiches gilt, wenn der Staat Innovationen mit Mitteln fördert, die er anderen zuvor unter Androhung oder Anwendung von Gewalt abgenommen hat. In diesem Fall ist nicht klar, ob unter dem Strich ein Wohlstandsgewinn oder ein Wohlstandsverlust resultiert. Denn im Gegensatz zu objektiven Messgrössen wie Meter und Liter, ist Nutzen immer etwas Subjektives. Verschiedene Nutzen von verschiedenen Personen können nicht miteinander verglichen oder gegeneinander aufgewogen werden, weshalb der Utilitarismus eine irregeleitete und scheinwissenschaftliche Denkweise ist.
Innovation kann nichtsdestotrotz eine wichtige Rolle im Wohlstandsbildungsprozess spielen. Innovationen können zum Beispiel dafür sorgen, dass die Produktivität eines Gutes, für das eine echte Nachfrage besteht, erhöht werden kann. In anderen Worten: Wenn es dank einer technischen Innovation neu leistungsstärkere Maschinen gibt, die z.B. für eine ergiebigere Ernte sorgen, so ist zu erwarten, dass die Produktpreise aufgrund des gestiegenen Angebots fallen. Fallende Produktpreise bedeuten, dass die Konsumenten einen geringeren Anteil ihres Einkommens für den Erwerb dieses Gutes aufwenden müssen. Damit bleiben mehr Ressourcen für die Befriedigung weiterer Bedürfnisse übrig. Und je mehr Bedürfnisse befriedigt werden können, desto stärker steigt der Wohlstand.
Innovationen können aber zum Beispiel auch Märkte effizienter machen, indem sie Transaktionskosten reduzieren. Plattformen wie z.B. Uber und Airbnb haben es Anbietern und Nachfragern nach Transport und Übernachtungsmöglichkeiten einfacher gemacht, zueinander zu finden. Innovationen können also auch die Anzahl abgeschlossener Verträge erhöhen und damit den Wohlstand.