Noch immer dominiert in Medienberichten der Trugschluss, die so genannte Finanz- oder Finanzmarktkrise sei Folge unternehmerischen Versagens. Ursächlich seien insbesondere unzureichendes Risikomanagement der Finanzinstitute, spekulative Gier und per se instabile Finanzmärkte. In eine politische Formel verpackt lautet die überkommene Diagnose: Das Marktversagen im grossen Stil ist Ausdruck einer epochalen Krise des (Finanz-)Kapitalismus.
Tatsächlich erleben wir zwangsläufige Reaktionen auf Märkten. Sie sind das Ergebnis der Handlungen von Menschen, welche den aktuellen Preissignalen unter den gegebenen Anreizen folgen. Zugleich ist ihr Handeln eine Reaktion auf politische Weichenstellungen der Vergangenheit und aktuelle Eingriffe der Politik in die Märkte. Die Heftigkeit der Reaktion weist auf das Ausmaß der politischen Einflussnahme hin. Ernst zu nehmende Kommentatoren stimmen darin überein, dass es sich um die Korrektur einer politisch bedingten Fehlentwicklung handelt.
Hauptursache für die unzureichend als Krise bezeichnete Korrektur auf den US- und darüber hinaus internationalen Finanzmärkten ist die Politik des billigen Geldes insbesondere der US-Notenbank Fed. Sie hat einen künstlichen Boom durch die Überproduktion von Geld geschaffen, der nun als solcher entlarvt wurde und einen bereinigenden, besonders scharfen Zusammenbruch (engl. Bust) als Rückkehr zur Normalität zwangsläufig nach sich zieht. Die Ausweitung der Geldmenge durch die von Alan Greenspan geführte Fed hatte bereits Ende der 90er Jahre Milliardenbeträge in die New Economy gespült – im März 2000 platzte dann die Dotcom-Blase. Die Fed milderte die Korrektur ab durch eine drastische Zinssenkung in den Jahren 2001 bis 2003 von 6,5% auf 1% und beließ die Zinsen für ein Jahr auf diesem unverhältnismäßig niedrigen Niveau. Das somit erneut erzeugte billige Geld suchte Anlagemöglichkeiten und fand sie auf Aktienmärkten und insbesondere im Immobilien- und Hypothekensektor, der ein dynamisches Wachstum erlebte. Investoren spekulierten auf einen gleich bleibenden hunderte Milliarden US-Dollar umfassenden Geldstrom und (dadurch) weiter steigende Häuserpreise. Tatsächlich erhöhte die Fed die Zinsen und die Häuserpreise gaben nach. Es ist also das staatliche Geldmonopol mit dem Transmissionsriemen des Mindestreservesystems über die privaten Geschäftsbanken, das die Spekulation erst ermöglicht, angeheizt und somit eine nicht aufrecht zu erhaltene Ressourcenverteilung bewirkt hat.
Parallel forcierte die US-Regierung ihre Häuser-für-Jedermann-Politik. Die Staatstrusts ähnlichen Hypothekenfinanzierer Freddie Mac und Fannie Mae wurden 2004 von der US-Bundesbau- und Wohnungsbehörde HUD zur Ausweitung des Subprimegeschäfts gedrängt. Die am 7. September 2008 faktisch verstaatlichten Konzerne garantierten die Hälfte aller US-Immobilienkredite im Wert von etwa 12 Billionen US-Dollar und damit vier Mal mehr als noch 2003. Es verwundert nicht, dass Kommentatoren diese im Westen einzigartige Verstaatlichung mit der UdSSR verglichen haben. Ihre Markt beherrschende Stellung hatten die Giganten durch staatlich garantierte geringere Risikoprämien, eine gefährlich geringe Kapitalquote, massenhaft öffentliche Aufträge und Steuerprivilegien erreicht. Absicht der US-Politik war es, Hauseigentum auch denen zu verschaffen, die es nicht finanzieren konnten. Bemerkenswerter Weise hat die allein für Freddie Mae und Fannie Mac zuständige Aufsichtsbehörde (OFHEO) die Krise geradezu verschlafen. Mit der Verstaatlichung hat die US-Regierung nun zwei Organisationen gerettet, die von der Politik geschaffen wurden, um bessere Ergebnisse als der Markt zu erzielen, just als der Markt diese als Fehlkonstruktionen entlarvt hat.
Schliesslich haben umfangreiche Regulierungen zur Finanzkrise beigetragen. Der Bankensektor zählt zu den am stärksten regulierten Branchen in nahezu allen entwickelten Volkswirtschaften. Wer heute eine Intensivierung der Regulierung fordert muss also eingestehen, dass die bisher weit reichende Regulierung versagt hat. Zudem müssen die Befürworter noch weiterreichender staatlicher Aktivitäten schlüssige Begründungen vorlegen. Dies dürfte angesichts der Tatsache, dass der Staat vielfach noch nicht einmal seine übernommenen Kernaufgaben befriedigend erfüllt, eine große Herausforderung darstellen. Tatsächlich scheint die bisherige Regulierung Kartell fördern gewirkt zu haben. Die Zahl der Privatbanken hat abgenommen. Zudem ist die Eigenkapitalquote gesunken. Ferner wurde das Verhalten der Banken in der Krise gleichgeschaltet, was zu koordinierten Notverkäufen und verschärftem Preisverfall geführt hat. Es gibt also mit Ivan Lengwiller von der Universität Basel gute Gründe anzunehmen, dass Regulierung die Märkte nicht sicherer, sondern unsicherer gemacht hat. Bereits die Regulierung der 20er und 30er Jahre bildete einen wesentlichen Krisentreiber der Weltwirtschaftskrise und verlängerte diese zur «Grossen Depression».
Die wiederholt praktizierte staatliche Schuldenübernahme (Bailout) von Unternehmen wie Bear Stearns und AIG kann zwar das bestehende System kurzfristig stützen, sollte aber über das systematische Staatsversagen nicht hinwegtäuschen. Das Problem sind weniger die handelnden Menschen, als vielmehr die staatlich gesetzten Rahmenbedingungen. Während in einer Marktwirtschaft der Wettbewerb Fehler korrigiert, konserviert die Politik einmal mehr offensichtlich unrentable Aktivitäten. Dies behindert bereits auf mittlere Sicht die Wohlstandsmehrung, sorgt für neue Konjunkturkrisen, dehnt das Kollektive zu Lasten des Individuums aus und schwächt das Vertrauen in funktionsfähige freie Finanzmärkte. Zugleich sind es die ungleich freieren Kapitalmärkte und stärker verflochtenen Handelsströme, die uns vor einer Weltwirtschaftskrise im Ausmass der 30er Jahre bewahrt haben. Das Gebot der Stunde lautet, für Globalisierung und Freihandel einzutreten und einer erneuten Umdeutung der Staats- in eine Finanzkrise entgegen zu wirken
Das Liberale Institut bedankt sich beim Institut für unternehmerische Freiheit, Berlin, für die freundliche Genehmigung zur Weiterveröffentlichung.