«The view has been gaining widespread acceptance that corporate officials and labor leaders have a that goes beyond serving the interest of their stockholders or their members. This view shows a fundamental misconception of the character and nature of a free economy. In such an economy, there is one and only one social responsibility of business – to use its resources and engage in activities designed to increase its profits so long as it stays within the rules of the game, which is to say, engages in open and free competition, without deception or fraud.»
Milton Friedman, Capitalism & Freedom, 1962, S. 133.
«The prevalence of such altruistic conduct in non-Walrasian markets contributes to their economic efficiency . . . Paradoxically, the presence of these altruistic virtues in the real non-Walrasian world, with its vast potential for damage and waste, may make the Walrasian perfect-information model a more accurate description than it could be if these virtues were absent.»
Edward S. Phelps, Altruism, Morality and Economic Theory: Introduction, 1975, S. 5f.
Die beiden Eingangszitate scheinen sich zu widersprechen. Milton Friedman und Edmund Phelps – Kampfgefährten gegen die keynesianische Illusion von der Geldillusion – sind in Sachen Unternehmensethik uneins. Sie sprechen von verschiedenen Welten.
Moral für Politik und Private
Friedman denkt an die wettbewerblich organisierte Marktwirtschaft ohne Täuschung und Betrug. In diesem Rahmen maximieren die Unternehmen ihre Gewinne, indem sie die Produkte, die die Verbraucher wünschen, möglichst kostengünstig herstellen. Ein Anbieter, der seine Kosten senkt, um seine Produzentenrente zu erhöhen, vergrössert, ohne es zu wollen, wie mit einer «unsichtbaren Hand» (Adam Smith), die Konsumentenrente seiner Kunden. Eine Unternehmensethik ist in dieser Welt nicht nötig – ein Altruist könnte sich unter diesen Bedingungen nicht besser verhalten als der Gewinnmaximierer.
Gleichzeitig sorgt der Wettbewerb dafür, dass diejenigen, die ihre Gewinne nicht maximieren, bald aus dem Markt ausscheiden müssen. Auch diese Einsicht findet sich bei Milton Friedman: «Given natural selection, acceptance of the hypothesis [that individual firms maximize expected returns . . . and have full knowledge of the data needed to succeed in this attempt] can be based largely on the judgement that it summarizes the conditions for survival.» (A Methodology of Positive Economics, 1953, S. 21f.)
Spielraum für ethische Entscheidungen haben in Friedmans Welt nur Unternehmen, die aufgrund eines vorübergehenden technologischen Vorsprungs über die normale Kapitalverzinsung hinausgehende Gewinne erzielen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Manager, sondern der Aktionäre oder allgemeiner der Eigentümer, ethische Entscheidungen über die Verwendung solcher Gewinne zu treffen. Die Manager haben zwar ein Mandat für betriebliche Sozialpolitik – aber nur insoweit, als diese die Gewinne (den «shareholder value») erhöht.
Altruismus zeigt sich unter diesen Bedingungen nicht im Verzicht auf Gewinne, sondern in ihrer Verwendung. Nicht der Marktpartner ist es, dem man Gutes tun will, sondern jemand aus der eigenen Familie oder ein Freund oder ein Bekannter. Es ist sogar möglich, dass ein Mensch am Markt gezielt sein Einkommen zu erhöhen versucht, um zum Schluss im privaten Bereich möglichst wirksam zu helfen oder als öffentlicher Mäzen und Stifter möglichst viel spenden zu können.
Moralisch zu bewerten ist unter diesen Bedingungen nicht das Verhalten am Markt, sondern im Privatleben und in der Politik. Für das Verhalten in der Politik könnte eine Unternehmensethik Regeln aufstellen, welche Formen der Interessenvertretung akzeptabel sind. Die Bestechung von Abgeordneten oder Beamten gehört sicherlich nicht dazu. Auch was den Markt betrifft, ist die Politik – die Entscheidung über die Wirtschaftsordnung – «der Ort der Moral» (Karl Homann).
Resultat wichtiger als Absicht
Die Vorstellung von einem moralfreien Subsystem «Marktwirtschaft» widerspricht dem imperialen Anspruch des Moralphilosophen, aber sie entspricht dem Prinzip der Arbeitsteilung im Weltbild des Ökonomen. Die Fähigkeit zu altruistischem Verhalten ist unter den Menschen höchst ungleich verteilt. Einige lieben den Nächsten mehr als sich selbst. In ihrer Nutzenfunktion hat der Nutzen anderer mehr Gewicht als ihr Eigennutzen. Für andere – darunter viele kluge, ehrliche und durchaus rücksichtsvolle Menschen – steht der Eigennutzen ganz im Vordergrund. Ein Subsystem, das diese Menschen veranlasst, ohne es zu wollen, Gutes zu tun, dient der Arbeitsteilung und dem Gemeinwohl. Denn was letztlich zählt, ist nicht die altruistische Gesinnung, sondern die tatsächliche Wirkung. Nicht Immanuel Kants «guter Wille», sondern Adam Smiths konsequenzialistische Ethik rechtfertigt die Gewinnmaximierung in der Marktwirtschaft.
Anders als Friedman betrachtet Phelps eine nicht-walrasianische Welt, in der Marktversagen weit verbreitet ist. In dieser Welt gibt es Marktmacht, externe Effekte und unvollkommene Information. Wenn sich die moralische Entscheidung jedoch auf den Ordnungsrahmen bezieht, ist es Aufgabe des Staates, mögliche Ursachen von Marktversagen zu beseitigen. Tut er dies nicht, so liegt Staatsversagen vor. Die wirtschaftspolitischen Instrumente sind vorhanden: die Wettbewerbspolitik gegen Marktmacht, Freiheitsrechte zum Schutz vor negativen externen Effekten (auch vor Umweltbelästigungen), die staatliche Finanzierung öffentlicher Güter zur Abgeltung positiver externer Effekte, Produktinformationen, Versicherungspflicht und Gewährleistungsrecht im Fall asymmetrisch unvollkommener Information. Schon Adam Smith sah den Staat in der Verantwortung, eine angemessene Schulbildung zu gewährleisten. Milton Friedman schlägt Bildungsgutscheine vor.
«Moral ist billig»
Wenn der Markt versagt, sind Schuldzuweisungen an die Unternehmen nicht die optimale Lösung. Sie lenken davon ab, dass der Staat gefordert ist. Der Unternehmensethiker läuft daher Gefahr, die erstbeste, die ordnungspolitische Lösung zu verhindern. Er liefert den Politikern ein Alibi.
Weshalb versagt der Staat? Auch in der Politik ist der Wettbewerb beschränkt. Mehrheitsentscheidungen erzeugen negative externe Effekte bei der Minderheit. Noch mehr als die Marktteilnehmer leiden die Wahlbürger – wegen zu geringer Anreize – an asymmetrisch unvollkommener Information. Politiker sind oft inkompetent, Beamte faul und ineffizient. Deshalb gilt: Je mehr der Staat degeneriert, desto lauter werden die Forderungen nach einer Unternehmensethik.
«Moral ist billig» – billiger als die staatliche Wettbewerbsaufsicht, der Schutz des Eigentums und die Betrugsbekämpfung. Ob die Unternehmensethik effizienter ist, hängt jedoch auch davon ab, wie wirksam sie ist. Phelps scheint zu unterstellen, dass das unvermeidliche Staatsversagen grösser als das unvermeidliche Moralversagen ist. Aber was für eine Moral wäre das? Müssen die Marktteilnehmer zu «altruistic conduct» aufgerufen werden, wie Phelps meint? Nach Friedman reicht es aus, dass der Unternehmer oder Manager «stays within the rules of the game». Wenn also zum Beispiel die staatliche Wettbewerbspolitik versagt, sieht sich der marktbeherrschende Produzent der ethischen Forderung ausgesetzt, trotzdem den Wettbewerbspreis zu fordern. Oder wenn der Käufer die Qualität eines Gutes nicht richtig einschätzen kann, wäre der Verkäufer gehalten, nicht nur die Vorzüge, sondern auch die Nachteile seines Produkts zu erwähnen.
Ehrlichkeit und Vertragstreue gehören zu den Tugenden des ehrbaren Kaufmanns. Zum Teil bringt sie der Markt selbst hervor. Einer altruistischen Gesinnung bedarf es dazu nicht. Vielleicht ist es möglich, diese «Ethik des Marktes» durch moralische Appelle zu stärken. Die Ethik des Marktes ist ein Produktionsfaktor. Sie wird auch als «Sozialkapital» bezeichnet. Denn Wettbewerbspreise sind effizient, und gegenseitiges Vertrauen senkt nicht nur die Informations- und Transaktionskosten, es erhöht auch die Bereitschaft, unvollständige Verträge einzugehen.
Umgang mit Versagen
Friedman und Phelps gehen von unterschiedlichen empirischen Annahmen aus. Friedmans Position ist in sich schlüssig, aber seine Bedingungen treffen in der Realität nicht immer zu. Der Dissens betrifft nicht nur das Marktversagen, sondern auch das Staatsversagen. Friedman war ein notorischer Reform-Optimist. Sein Buch «Capitalism and Freedom» ist voller Reformvorschläge. Phelps hat sich anscheinend mit dem Staatsversagen abgefunden. Er setzt – anders als Friedman – auch im Markt auf den Altruismus des Einzelnen. Die Ethik des Marktes kommt jedoch ohne Altruismus aus.
Der Autor ist Professor für Volkswirtschaftslehre und politische Ökonomie an der Universität Mannheim und Mitglied des akademischen Beirats des Liberalen Instituts. Dieser Artikel wurde in der «Neuen Zürcher Zeitung» publiziert. Das Liberale Institut bedankt sich für die freundliche Genehmigung zur Weiterveröffentlichung.