Eine offene Gesellschaft ist auf einen öffentlichen Raum angewiesen, in dem der Austausch zwischen den verschiedenen Lebensweisen, Religionen, Ideen usw. der Menschen, die auf einem Gebiet zusammenleben, in einer sich wechselseitig bereichernden Weise stattfindet. Die modernen Rechtsstaaten haben sich alle mehr oder weniger so entwickelt, dass die Staatsgewalt nicht nur den Rahmen für diesen öffentlichen Raum bereitstellt, indem sie das Recht auf freie Lebensgestaltung für jeden sichert; die Staatsgewalt organisiert und gestaltet diesen Raum auch. Das geschieht vor allem dadurch, dass die Staatsgewalt über die im 20. Jahrhundert einflussreichsten Medien – Rundfunk und Fernsehen – weitgehend das Monopol ausübt. Ebenso betreibt sie das Bildungswesen und die Wissenschaft weitgehend in ihrer Hand.
Die Idee dahinter ist diese: Wenn die einflussreichsten Medien, das Bildungswesen und die Wissenschaft weitgehend in der Hand der Staatsgewalt sind, dann wird dadurch verhindert, dass Sonderinteressen diese Institutionen dominieren können und damit dem freien Austausch in der offenen Gesellschaft Schaden zugefügt wird. Solche Sonderinteressen sind nicht nur direkte wirtschaftliche Interessen einiger Unternehmer. Es geht in erster Linie um die Dominanz bestimmter Weltanschauungen, Moralvorstellungen, politischer Auffassungen usw. Mit diesen gehen dann jeweils auch bestimmte wirtschaftliche Interessen bestimmter Unternehmen einher; aber der Antrieb sind die Gedanken. Kurz, die Idee ist, dass der Pluralismus, der die offene Gesellschaft kennzeichnet, am besten dadurch sichergestellt und gefördert wird, dass die Staatsgewalt weitgehend ein Monopol in Bezug auf einflussreiche Medien, das Bildungswesen und die Wissenschaft ausübt.
Diese Idee ist gescheitert, und zwar definitiv gescheitert. Sie ist dadurch irreparabel beschädigt worden, dass diejenigen Kräfte, welche die real existierende Postmoderne vorantreiben, die öffentlich-rechtlichen Medien, das staatlich organisierte Bildungssystem und die staatlich finanzierte Wissenschaft als ihre zentralen Instrumente nutzen können. Diese Instrumentalisierung wird durch die Machtkonzentration in der Hand der Funktionsträger der Staatsgewalt ermöglicht, die mit dem Monopol über einflussreiche Medien, das Bildungssystem und die Wissenschaft verbunden ist. Dieses Monopol verhindert gerade nicht, dass sich Sonderinteressen durchsetzen, sondern befördert im Gegenteil diese Entwicklung.
Sonderinteressenpolitik
Das Problem ist: Wenn es einmal eine Staatsgewalt gibt, die in die Wirtschaft eingreift, dann ist es für Unternehmer zweckrational, zu versuchen, sich die Staatsgewalt im Sinne ihrer Interessen zu Nutze zu machen. Das Ergebnis ist der Staatskapitalismus: Die Gewinne sind privat; die Risiken werden auf die Staatsgewalt und damit auf die Steuerzahler abgewälzt. Am effektivsten ist es, wenn es gelingt, die Funktionsträger der Staatsgewalt dazu zu bringen, die eigenen Produkte den Bürgern regelrecht aufzuzwingen: Dann winken enorme Gewinne, und zwar besonders dann, wenn die Unternehmen auch von der Haftung für die gesundheitlichen Schäden, die der Konsum dieser Produkte anrichten kann, befreit werden. So ist es mit den Corona-Impfstoffen geschehen. Dabei sind diese Medikamente nur die Spitze des Eisberges, anhand derer die Korruption des Systems offensichtlich wird. Das heißt: Der Staatseingriff in die Wirtschaft stellt gerade nicht fairen Wettbewerb, Innovation und die Entwicklung der bestmöglichen Produkte zum Nutzen der Konsumenten sicher, sondern verhindert alles dieses.
Genauso verhält es sich mit der monopolartigen Stellung der Staatsgewalt im Bereich einflussreicher Medien, der Bildung und der Wissenschaft: Die damit verbundene Machtballung in der Hand der Funktionsträger der Staatsgewalt lädt die Vertreter von Sonderinteressen im Sinne bestimmter Weltanschauungen, Moralvorstellungen oder politischer Auffassungen geradezu dazu ein, den Marsch durch die vom Staate kontrollierten Institutionen anzutreten, um auf diese Weise ihre Vorstellungen der Gesellschaft aufzuzwingen. Wenn es einer ideologisch weitgehend homogenen Gruppe gelingt, diese Institutionen zu dominieren, dann tritt die Situation ein, die spätestens mit der postfaktischen Reaktion auf die Corona-Virenwellen offensichtlich geworden ist.
Konkret: Vertreter des politischen Szientismus gibt es immer. Wenn es nun ein weitgehendes Staatsmonopol über einflussreiche Medien, Bildung und Wissenschaft gibt, dann ist es die zielführende Strategie für politische Szientisten, zu versuchen, diese Institutionen ideologisch zu bestimmen. Wenn die politischen Szientisten sich auf ein Narrativ oder eine Abfolge von Narrativen, wie in der real existierenden Postmoderne, verständigen, dann kann es ihnen durch ihre Koordination und Entschlossenheit gelingen, diese Institutionen zu übernehmen.
Begriffsumdeutung
Die Dominanz einer solchen ideologisch homogenen Gruppe in einflussreichen Medien, dem Bildungswesen und der Wissenschaft ist noch gefährlicher als die übelste Form wirtschaftlicher Korruption, die darin besteht, die eigenen Produkte mit Hilfe der Staatsgewalt den Menschen aufzuzwingen. Wer einflussreiche Medien, das Bildungswesen und die Wissenschaft dominiert, der kann den Sprachgebrauch beeinflussen und Begriffe umdeuten und den Menschen so ihre Selbstbestimmung und Urteilskraft nehmen, ohne dass die Menschen es merken – beziehungsweise es erst dann merken, wenn sie sich bereits in einer ideologisch geschlossenen Gesellschaft befinden.
Einer solchen Umdeutung wurden in der postfaktischen Reaktion auf die Corona-Virenwellen Begriffe wie „Pandemie“, „Infektion“, „Impfung“, moralische Werte wie Solidarität und auch der Freiheitsbegriff selbst unterzogen. Wer diese Umdeutung der Begriffe nicht mitmacht, der steht als Gegner der Wissenschaft, als unmoralischer Mensch und als Egoist da. So ist es mit denjenigen geschehen, die sich geweigert haben, sich aus „Solidarität“ dem als Impfung gegen Covid-19 angepriesenen medizinischen Eingriff zu unterziehen. So geschieht es weiterhin mit denjenigen, die infrage stellen, ob man das Weltklima durch Verzicht auf die Nutzung zuverlässiger und effizienter Energiequellen steuern kann und die die Berücksichtigung der Schäden einfordern, zu denen eine solche Politik führt: Diese Personen stehen dann als Feinde der Wissenschaft, unmoralische Zeitgenossen und Egoisten da. Das staatliche Monopol über einflussreiche Medien, Bildung und Wissenschaft wird auf diese Weise zu einer wirksamen Waffe, um den Pluralismus, der die offene Gesellschaft kennzeichnet, zu beseitigen.
Der eingesetzte Mechanismus ist dieser: Die Ausübung von Freiheit und Selbstbestimmung wird als Gefährdung anderer dargestellt. Das Verhältnis von Menschenrechten und Staat wird umgekehrt: Es gibt keinen Rechtsstaat mehr, der die Menschenrechte schützt. Der szientistisch gelenkte, totalitäre Staat gewährt Freiheiten als Privilegien für Konformität und stellt Unfreiheit – die Unterwerfung unter das szientistische Regime – als Freiheit dar. Möglich wird dieses nur dadurch, dass sich die Vertreter dieser Ideologie das staatliche Monopol über einflussreiche Medien, Bildung und Wissenschaft zu Nutze machen. Vor allem kann man durch Indoktrination die Urteilskraft der Menschen ausschalten, wie wir in der Reaktion auf die Corona-Virenwellen gesehen haben. Das Versagen von Urteilskraft erklärt sich zu einem guten Teil durch die Indoktrination, welche durch die Dominanz einer Gruppe, die eine bestimmte Ideologie vertritt, in einflussreichen Medien, im Bildungswesen und in der Wissenschaft möglich wird.
Staatliches Bildungssystem zerstört die Urteilskraft
Das staatlich dominierte Bildungssystem fördert nicht Urteilskraft, sondern behindert deren Entwicklung geradezu. Ein Indiz dafür ist folgende Tendenz: Je höher der Bildungsgrad ist, desto ausgeprägter ist das Versagen von Urteilskraft in Bezug auf die Corona-Virenwellen, den Klimawandel und die weiteren Themen, welche die Agenda der real existierenden Postmoderne prägen. Menschen ohne akademische Bildung sind häufig eher in der Lage, eine sachlich angemessene und damit verhältnismäßige Einschätzung zu diesen Themen abzugeben als Menschen mit akademischer Bildung. Ein Grund dafür ist, dass unser Bildungssystem sich darauf konzentriert, technisches Wissen zu vermitteln. Das ist Wissen, wie man ein gegebenes Ziel erreicht durch die Entwicklung innovativer und effizienter Technologien. Aber es vermittelt keine Fähigkeiten zur Beurteilung und Abwägung der Ziele selbst. Kurz, die Urteilskraft, die man gerade bei Wissenschaftlern aufgrund ihres Wissens und ihrer Bildung erwarten würde, hat vollkommen gefehlt. Sie schwimmen zum großen Teil im Strom des politischen Szientismus mit und lassen sich durch den Köder, dass Wissenschaft im politischen Szientismus wichtig zur Lenkung der Gesellschaft ist, ihren Verstand und ihre Urteilskraft nehmen.
Insbesondere die Geistes- und Sozialwissenschaftler sollten ein Korrektiv zum technischen Wissen entwickeln, das die Naturwissenschaftler bereitstellen. Sie haben in dieser Hinsicht jedoch im Großen und Ganzen versagt. Die Kritikfähigkeit wurde durch Ideologie ausgeblendet, indem es einer Gruppe mit einer bestimmten Agenda gelungen ist, weitreichende Dominanz in den Geistes- und Sozialwissenschaften zu erlangen und dann das technische Wissen der Naturwissenschaftler für sich einzuspannen. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die Machtballung bei der Staatsgewalt: Nur weil ein weitgehendes Monopol in Bezug auf einflussreiche Medien, das Bildungswesen und die Wissenschaft besteht, ist es einer ideologisch homogenen Gruppe möglich, sich die Machtkonzentration in der Hand der Staatsgewalt für ihre Zwecke zu Nutze zu machen.
Macht korrumpiert
Wenn diese Analyse richtig ist, dann können wir nicht einfach zu der Entwicklung der Moderne zurückkehren, wie sie bestand, bevor die real existierende Postmoderne ihren Siegeszug antrat. Das heißt: Wir können nicht einfach wirtschaftlich den Faden wieder an der Stelle aufnehmen, an der wir vor dem 15. August 1971 standen, als mit dem Fiat-Geld die erste, wirtschaftlich-soziale Phase der real existierenden Postmoderne begann. Und wir können nicht einfach gesellschaftlich den Faden wieder an der Stelle aufnehmen, an der 1989 das Sowjetimperium zusammenbrach.
Das Problem ist die Machtballung in der Hand der staatlichen Zwangsgewalt. Diese lädt zu dem Gebrauch ein. Sie lädt dazu ein, dass eine ideologisch homogene Gruppe unter dem Deckmantel von Wissenschaft versucht, Dominanz in einflussreichen Medien, dem Bildungswesen und dem Wissenschaftsbetrieb zu gewinnen. Wann immer es eine solche Machtballung in der Hand der Staatsgewalt gibt, ist eine derartige Entwicklung leider früher oder später zu erwarten. Anders ausgedrückt, die Crux des republikanischen Rechtsstaates ist diese: Macht korrumpiert. Die Machtballung in der Hand der Staatsgewalt führt zu einer Entwicklung, in deren Verlauf sich die Organe des republikanischen Rechtsstaates selbst delegitimieren, weil sie, anstatt das Recht auf freie Lebensgestaltung aller zu schützen, nunmehr allen eine bestimmte Lebensweise vorgeben.
Wenn wir den bisherigen Weg der Moderne nicht lediglich wieder aufnehmen können, dann müssen wir zu den Wurzeln zurückgehen. Es ist eine Entflechtung der Machtkonzentration bei der Staatsgewalt erforderlich, genau wie zu Beginn der Moderne das Machtkonglomerat von Kirche und Staat zerschlagen wurde und sich dadurch der Rechtsstaat und die freie Wissenschaft entwickelt haben. Man kann sich hierzu auf die Leitmotive der Französischen Revolution beziehen: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Rudolf Steiner hat in der Anthroposophie diese Leitmotive so aufgenommen, dass er für eine Dreigliederung des sozialen Lebens plädiert: Das Rechtsleben mit gleichem Recht für alle (Gleichheit), das arbeitsteilige Wirtschaftsleben (Brüderlichkeit) und das Geistesleben mit freiem Bildungssystem (Freiheit) sollen voneinander getrennt werden (siehe die Aufsätze in Steiner 1961). Man kann also die Leitmotive der Französischen Revolution durchaus so verstehen, dass man zu einer sich selbst organisierenden Gesellschaft statt einer durch Machtkonzentration bei der Staatsgewalt organisierten Gesellschaft kommt.
Hier folgen ein paar Anhaltspunkte dazu, wie eine solche Entflechtung aussehen könnte, um den Weg der Moderne von seinen Wurzeln her wieder aufzunehmen:
Gleichheit im Rechtsleben
Gleichheit im Rechtsleben: Gleiches Recht für alle bedeutet, dass jeder das Recht hat, sein Leben selbst zu gestalten, solange man dabei allen anderen das gleiche Recht einräumt. Wenn die Staatsgewalt eine Aufgabe hat, ist diese auf die Organisation des Rechtslebens beschränkt, also auf den Rechtsstaat: Erkennen und Durchsetzen von Recht – also zu erkennen, an welcher Stelle die Ausübung der Lebensgestaltung bestimmter Personen oder Gruppen von Personen in die Lebensgestaltung anderer Personen oder Gruppen von Personen übergreift und solche Übergriffe zu verhindern beziehungsweise zu ahnden. Darüber hinausgehende Eingriffe einer Staatsgewalt in die Lebensgestaltung der Menschen sind ausgeschlossen, wenn gleiches Recht für alle gilt. Da auch im Erkennen von Recht keine privilegierte Erkenntnis in der Hand einer zentralen Gewalt konzentriert ist, sollte die Rechtsfindung von unten in Form des „common law“ geschehen.
Es gibt ein Argument epistemischer Bescheidenheit, das für die angelsächsische Tradition des „common law“ spricht und gegen ein Gewaltmonopol auf einem Territorium, das von einer zentralstaatlichen Instanz ausgeübt wird – oder gar ein multinationales Gewaltmonopol ausgeübt etwa durch Institutionen wie die gegenwärtige Europäische Union, oder gar eine Weltregierung (siehe für polyzentrisches Recht Lottieri 2002). Recht ist ebenso wie Wissenschaft zunächst einmal eine Frage von Erkenntnis. Aber ebenso wie in der Wissenschaft ist auch beim Recht epistemische Bescheidenheit in Bezug auf konkrete Erkenntnisansprüche angebracht: Diese müssen sich durch Evidenz und Argument bewähren, statt einfach durch die Ausübung von Macht festgesetzt zu werden.
Auf dieser Grundlage geht der anarchische Libertarismus so weit, dafür einzutreten, auch das Rechtsleben ohne eine Staatsgewalt zu organisieren. Das Argument ist, dass ein prinzipielles Monopol, das vor Konkurrenz geschützt ist, stets zu Missbrauch führt. Gemäß dem anarchischen Libertarismus gilt dieses Argument nicht nur im Wirtschaftsleben, sondern auch in Bezug auf die Gewährleistung von Sicherheit und Recht. Auch für diese sollte es dementsprechend im Prinzip einen Pluralismus verschiedener Anbieter und Organisationsformen geben.
Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben
Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben: Arbeitsteiliges Wirtschaften kann sich genossenschaftlich oder kapitalistisch organisieren. Wenn es keine staatliche Zwangsgewalt gibt, die in das Wirtschaftsleben eingreift, dann hängt die Ausgestaltung des arbeitsteiligen Wirtschaftens daran, was die Menschen jeweils von sich aus bevorzugen. Es wird dann immer eine Mischform kapitalistischen und genossenschaftlichen Wirtschaftens geben. Die Menschen sind nicht vereinzelte Individuen, sondern soziale Wesen, die sich immer in Gemeinschaften organisieren, die auf wechselseitiger Unterstützung und insbesondere Unterstützung der schwächeren Personen beruhen, und seien diese Gemeinschaften nur Familien und Freundeskreise. Jedes totalitäre System legt es darauf an, diese Gemeinschaften zu zerstören. Denn wenn der Staatsgewalt isolierte Individuen gegenüberstehen, dann gibt es keine Gemeinschaften mehr, die den Durchgriff des Staates beschränken können. Damit die Staatsgewalt ihre Macht ausweiten kann, muss sie Aufgaben an sich reißen, die freiwillige Gemeinschaften erfüllen können. Das betrifft insbesondere die Absicherung von Lebensrisiken vor allem in Bezug auf Gesundheit und Alter.
Wenn das Gesundheitssystem nicht in staatlicher Hand läge, dann könnte es das Übel, das wir derzeit erleben, nicht geben. Zur freien Lebensgestaltung gehört auch, selbst über seine Gesundheitsvorsorge und die erwünschten medizinischen Behandlungsarten urteilen zu können. Es würde dann verschiedene genossenschaftliche und privatrechtliche Versicherungsformen geben, je nach den Bedürfnissen der jeweiligen Menschen. Das vom Staat organisierte Kartell mit Zwangsabgaben und Zwangsversicherungen wäre dann zerschlagen. Damit wäre auch eine bedeutende Kostensenkung verbunden. Dieses Kartell könnte dann nicht mehr Leistungen den Menschen aufzwingen, aus denen die an diesem Kartell Beteiligten immense Profite ziehen und für deren Schäden sie nicht einmal haften müssen. Ärzten könnte auch nicht mit Entzug der Approbation gedroht werden, wenn sie bei diesem Kartell nicht mitmachen und ihren Patienten nicht bestimmte Medikamente oder bestimmte medizinische Behandlungen wie die Corona-Impfungen verabreichen. Das Angebot von Gesundheitsdienstleistungen wäre dann nicht staatlich reglementiert. Das würde zu einem viel breiteren und damit kostengünstigeren Angebot führen. Die Leistungen müssten sich dann an den – verschiedenen – Interessen und Bedürfnissen der Menschen orientieren, die über entsprechende genossenschaftliche oder privatrechtliche Organisationsformen gebündelt wären. Damit einhergehen würde die Haftungspflicht für Schäden medizinischer Behandlungen. Diese Haftungspflicht würde von einem Rechtswesen durchgesetzt werden, das vom Wirtschaftsleben getrennt ist (siehe dazu auch von Wachter 2022). Insofern es Politiker gibt, die Entscheidungen über öffentliche Angelegenheiten treffen, müssten diese ebenfalls für die Folgen ihrer Entscheidungen haften (siehe dazu Gebauer 2021a, § 38, S. 39).
Generell gilt: In einem brüderlichen Wirtschaftsleben müsste jeder Akteur für die unerwünschten Folgen seines Handelns haften und entsprechende Versicherungen abschließen. Damit wäre der Schutz gewährleistet, der das vorgebliche Ziel der heutigen staatlichen Organisation und Regulierung vieler Bereiche des Wirtschaftslebens ist. Aber es könnte nicht die heutige Perversion dieses Schutzes geben. Es wäre keinem Unternehmen möglich, durch Einsatz der Staatsgewalt seine Produkte den Menschen aufzuzwingen und sich von der Haftungspflicht zu befreien. Jedes Unternehmen müsste sich dann daran orientieren, was die Menschen selbst als ihre Bedürfnisse und Präferenzen ansehen. Durch die Kostentransparenz, die mit dem Verschwinden dieser Kartelle verbunden wäre, könnte jeder selbst abwägen, welche Leistung und welche Risikoabsicherung ihm welchen Preis wert ist. Und durch die Kostensenkung, die mit dem Verschwinden dieser Kartelle verbunden wäre, wäre auch eine qualitativ bessere Versorgung möglich. Das Argument der Konsequenzen gilt insbesondere für das Wirtschaftsleben einschließlich der Risikoabsicherung gegen Krankheit und Alter: Jedem die Freiheit zu lassen, sein Leben selbst zu gestalten und seine Fähigkeiten in ein arbeitsteiliges Wirtschaftsleben einzubringen, ist der erfolgreichste Weg zu einem hohen Lebensstandard für alle Bevölkerungskreise.
Freies Geld
Zu einem Wirtschaftsleben, das frei von staatlichem Einfluss ist, gehört auch freies Geld. Es genügt nicht, nur das Fiat-Geld wieder durch die teilweise Bindung des Geldes an einen Sachwert zu ersetzen. Die Wurzel des Übels ist das Geldmonopol in der Hand der staatlichen Zwangsgewalt. Das staatliche Geldmonopol ist der Mechanismus für die Hybris des Rechtsstaates, durch das Schöpfen von Geld immer weitere Aufgaben an sich zu reißen, dadurch Sonderinteressen anstelle von gleichem Recht für alle zu befördern und die freiwilligen sozialen Gemeinschaften zu schwächen. Arbeitsteiliges Wirtschaftsleben erfordert Geld als Verrechnungseinheit, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel. Was als Geld anerkannt wird, bildet sich daher von unten heraus durch die Interaktionen der Menschen. Eine Staatsgewalt ist dazu nicht erforderlich. Ein Rechtswesen in Form funktionierender Rechtsprechung und -durchsetzung genügt (siehe vor allem Hayek 1976, Hülsmann 2007, 2013 und Polleit 2020, Kapitel 22).
Mit freiem Geld ist die Kreditvergabe limitiert. Banken können nicht aus nichts Geld schaffen und als Kredit vergeben. Sie können nur in dem Maße Kredite vergeben, wie diese durch Einlagen bei der Bank gedeckt sind, die zuvor durch Konsumverzicht erspart wurden. Eine auf diese Weise limitierte Kreditvergabe verhindert den Zyklus von Wirtschaftsboom, der auf nominellem, durch Fiat-Geld geschaffenem Wachstum besteht, das kein Produktivitätswachstum ist, und auf den dann ein Platzen der Blase folgt; letzteres wird in der Regel ausgelöst durch die Preisinflation, welche durch Geldvermehrung ohne Produktivitätswachstum geschaffen wird (siehe dazu auch Pfluger 2015).
Freies Geld beendet auch die Entwertung von Arbeit gegenüber Kapital. Von 1860 bis in die 1980er Jahre hinein musste ein US-Amerikaner im Durchschnitt immer zwischen 15 und 40 Stunden arbeiten, um einen Anteil des US-Aktienindex S&P 500 kaufen zu können (Mittelwert 30 Stunden). Seit Ende der 1980er Jahre schnellte dieser Wert in die Höhe: Anfang 2020 waren 120 durchschnittliche Stundenlöhne erforderlich, um einmal den S&P 500 zu kaufen (siehe Baltrusaitis 2020). Die unbegrenzte Vermehrung des Fiat-Geldes ist ein wesentlicher Faktor dafür, die Preise von Kapitalgütern wie Aktien und auch Immobilien in die Höhe zu treiben, ohne dass die Löhne mit dieser Entwicklung Schritt halten; denn diese Entwicklung beruht nicht auf dem Wachstum der Produktivität, sondern lediglich auf dem Wachstum der Geldmenge. Das heißt: Das Fiat-Geld-System ist unsozial. Es nutzt den Besitzern von Kapital auf Kosten der Arbeitnehmer (siehe Hülsmann 2013, Kap. VIII). Die staatliche Marktlenkung durch das Fiat-Geld-System verhindert die Win-win-Situationen, die im freien Markt durch freiwillige Kooperation entstehen.
Freiheit im Geistesleben
Freiheit im Geistesleben: Wie die Wirtschaft gilt es, auch Bildung und Wissenschaft vom Staat zu entflechten. Die Staatsgewalt ist nicht der Garant der Freiheit der Wissenschaft und der Qualität der Bildung. Durch ihr weitgehendes Monopol der Finanzierung von Bildung und Wissenschaft über Zwangsabgaben ist sie vielmehr deren größte Bedrohung. Diese Bedrohung wird in dem Moment akut, in dem die Funktionsträger der Staatsgewalt bestimmte inhaltliche Interessen verfolgen. Durch das Finanzierungsmonopol von Schulen und Universitäten können sie diese Interessen dann durchsetzen. Um die Ideologie der real existierenden Postmoderne zu überwinden, ist es daher erforderlich, das Bildungssystem von staatlichem Einfluss zu befreien. Das bedeutet, dass Schulen von den jeweiligen freiwilligen sozialen Gemeinschaften errichtet und finanziert werden. Damit gibt es eine Pluralität von Schulen mit verschiedener pädagogischer, weltanschaulicher oder auch religiöser Orientierung. Ein Monopol, das eine bestimmte Ausrichtung durchsetzt, wie den politischen Szientismus, ist dann ausgeschlossen. Auch Paul Feyerabend (1975, Kapitel 19) forderte bekanntlich, nach der Trennung von Staat und Kirche die Wissenschaft ebenfalls vom Staat zu trennen.
Es ist möglich, freies Geistesleben vom Staat zu entflechten. Aber es ist de facto nicht möglich, das Geistesleben zugleich vom Wirtschaftsleben zu trennen. Der Grund ist der Finanzbedarf wissenschaftlicher Forschung in den Experimentalwissenschaften. Es ist unwahrscheinlich, dass Forschung, die über rein theoretische Arbeit hinausgeht, allein durch freiwillige soziale Gemeinschaften, Studiengebühren und Spenden finanziert werden kann. Es gibt auch offensichtliche wirtschaftliche Interessen an Forschung und der technischen Umsetzung von Forschungsergebnissen. Die Beteiligung von Unternehmen an Forschung und deren Finanzierung ist jedoch dann kein Problem, wenn es nicht zugleich eine Staatsgewalt gibt, auf deren Vertreter die Unternehmer einwirken können, um ihre Produkte den Menschen aufzuzwingen. Wenn es eine solche Staatsgewalt nicht gibt, dann müssen die Unternehmer die Kunden von ihren Produkten überzeugen und sie müssen für eventuelle Schäden, die sie mit ihren Produkten anrichten, haften. Forschung, die nicht an den Interessen der Menschen orientiert ist und die nicht die Methode der kritischen Prüfung von Wissensansprüchen beachtet, hat dann kurze Beine. Wenn jeder haften muss, könnte es sich niemand erlauben, Produkte, die auf ungeprüften Wissensansprüchen beruhen, auf den Markt zu bringen. Wer die wissenschaftliche Sorgfaltspflicht verletzt, würde keine Versicherung finden, die seine Produkte gegen mögliche Schäden absichert.
Das heißt auch: Wer riskante Forschung durchführen will, wie zum Beispiel die sogenannte Gain-of-function-Forschung, die auch in dem Institut für Virologie in Wuhan erfolgte, muss eine Versicherung gegen mögliche Schäden abschließen – und das heißt: erst einmal eine Versicherung finden, die die Risiken absichert. Es gibt dann keine Staatsgewalt, die bestimmte Unternehmen und Forschungsinstitutionen von ihrer Haftungspflicht im Namen eines angeblichen öffentlichen Interesses befreien kann.
Ein naheliegendes Bedenken gegen solche Vorschläge zu einer Entflechtung der Machtkonzentration bei der Staatsgewalt ist dieses: Wenn die Wirtschaft sowie auch Bildung und Wissenschaft von der Lenkung durch die Staatsgewalt getrennt werden, besteht dann nicht die Gefahr, dass die Gesellschaft in verschiedene, sich selbst organisierende soziale Gemeinschaften zerfällt? Dieser Einwand ist unbegründet. Denn diese verschiedenen, sich selbst organisierenden Gemeinschaften leben auf demselben Territorium zusammen unter einer Rechtsordnung mit einem Rechtswesen, das die Verpflichtung aller dazu, das Recht auf freie Lebensgestaltung aller anderen zu respektieren, durchsetzt. Das aber ist die offene Gesellschaft, wie sie von Karl Popper (1945) vorgezeichnet wurde: verschiedene Lebensformen, Kulturen, Weltanschauungen, Religionen usw., die auf einem Gebiet miteinander zusammenleben und sich durch Austausch und Arbeitsteilung wechselseitig bereichern unter Respekt der Menschenrechte aller. Eine Staatsgewalt, die in Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft eingreift, ist die größte Gefahr für die offene Gesellschaft, statt ihr Schutz zu sein. Denn durch die bei ihnen konzentrierte Macht laden die Funktionsträger dieser Staatsgewalt die Vertreter aller möglichen Interessen und Ideologien geradezu dazu ein, auf die Staatsgewalt im Sinne dieser Sonderinteressen einzuwirken, wodurch sich die Staatsgewalt dann letztlich selbst delegitimiert.
Bedarf die offene Gesellschaft einen gelenkten öffentlichen Raum?
Die offene Gesellschaft benötigt keinen öffentlichen Raum, der durch staatlich finanzierte Medien, Bildungsinstitutionen und Wissenschaft sowie eine staatlich organisierte Wirtschaft gelenkt wird. Der öffentliche Raum bildet sich bereits dann von selbst, wenn alle ihre Talente in eine arbeitsteilige Wirtschaft einbringen können. Verschiedene Bildungsinstitutionen stehen dann auch im öffentlichen Raum miteinander in Konkurrenz, was ihre Qualität fördert: Niemand zahlt freiwillig für qualitativ schlechte Bildungsinstitutionen. Das gleiche gilt für ideologisierte statt an Qualität orientierte Wissenschaft. Kurz, Austausch ergibt sich von selbst durch Pluralismus, sofern ein Rechtswesen besteht, das konsequent gleiches Recht für alle durchsetzt.
Alles dieses kann allerdings nichts an Folgendem ändern: Wissenschaftler, Intellektuelle und Medienschaffende, die der Versuchung des politischen Szientismus erliegen, ebenso wie Unternehmer, die den Menschen Produkte bis hin zu medizinischen Behandlungen verkaufen wollen, die mehr schaden als nützen, gibt es immer. Dagegen mit Zwang vorgehen zu wollen, indem man nach einer Staatsgewalt ruft, die solches verhindert, hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. In einer offenen Gesellschaft hat jeder das Recht, seine Auffassungen darüber zu äußern, was sie oder er für das Beste für die Menschheit hält. Jeder Unternehmer hat das Recht, Produkte und Dienstleistungen anzubieten, sofern sie oder er von Gerichten und Versicherungen festgesetzte Sicherheitsstandards einhält und für die Folgen seines Handelns haftet.
Es wird immer Weltverbesserer geben, die sich auch untereinander zusammentun und Pläne schmieden, wie sie ihre Absichten umsetzen können. Es können sich auch Massenhysterien entwickeln, die solche Leute zusammen mit willfährigen Medienschaffenden, Wissenschaftlern und Unternehmern, die auf Profite aus sind, gezielt schüren. Man kann nicht ausschließen, dass so etwas geschieht, ohne seinerseits nach einer Zwangsgewalt zu rufen, die dieses verhindern soll, und damit genau das zu schaffen, was diese Kräfte als ihr Instrument benötigen, um ihre Pläne zu verwirklichen.
Um es konkret zu sagen: Einen Bill Gates mit seinen wahnwitzigen Vorstellungen medizinischer Behandlungen zur Transformation der menschlichen Natur (siehe Gates 2022), einen Klaus Schwab mit dem totalitären Programm eines „great reset“ (Schwab und Malleret 2020 und 2022) kann es immer geben. Diese Personen haben auch das Recht, wie jeder andere Mensch auch, ihre Auffassungen öffentlich darzulegen, für sie zu werben und ihre finanziellen Mittel zu deren Beförderung einzusetzen. Der Punkt ist: Programme wie das von Bill Gates und der „great reset“ leben davon, staatliche Zwangsgewalt einzusetzen, um verwirklicht werden zu können. Ohne eine staatliche Zwangsgewalt blieben diese Programme einfach Ideen, über die sich jeder sein Urteil bilden kann. Ohne eine Staatsgewalt, die in Medien, Bildung, Wissenschaft und Wirtschaft eingreift, könnten diese Personen ihre Vorstellungen nicht umsetzen.
Ohne Zwangsgewalt keinen „Great Reset“
Wenn es keine staatliche Zwangsgewalt gäbe, dann gäbe es keinen Staatskapitalismus, das heißt, keinen Staat, der lenkend in die Wirtschaft eingreift. Der „great reset“ wäre damit erledigt. Freiwillig können Unternehmen tun, was sie wollen, und sich unter was für wohlklingenden Namen auch immer aufstellen – wie Nachhaltigkeit oder ESG („environmental, social, governance“); aber sie müssen dann Kunden finden, die ihnen freiwillig ihre Produkte abnehmen und den geforderten Preis zahlen. Freiwillig können Unternehmen ebenfalls was für Medikamente und Impfstoffe auch immer entwickeln und anbieten. Aber erstens müssen sie und die behandelnden Ärzte dann für Schäden haften. Und zweitens müssen sie Kunden finden, die ihnen ihre Produkte abkaufen – das heißt, diese Produkte als so wertvoll und wichtig einschätzen, dass sie es vorziehen, ihr Geld für diese Produkte auszugeben (direkt oder indirekt über Beiträge an entsprechende Versicherungen), statt etwas anderes mit ihrem Geld anzufangen. Damit würden diese Produkte schnell an der Realität von Menschen scheitern, die die Freiheit haben, sich zu überlegen, wie sie ihr Leben gestalten möchten, und die abwägen müssen, wie sie ihre stets knappen Mittel (Fähigkeiten, Zeit, Geld) am sinnvollsten im Hinblick auf ihre Lebensziele einsetzen.
Genau dasselbe würde für die Lockdowns und das Ausgrenzen bestimmter Personengruppen gelten: In einer Massenhysterie könnte es als Panikreaktion passieren, dass manche Geschäftsleute ihre Läden schließen oder Zutrittsbedingungen wie Masken, Tests, Impfungen verlangen oder bestimmte Personengruppen ganz ausgrenzen. Aber wenn dieses nicht durch Evidenz für eine tatsächlich bestehende Gefahr gestützt ist, erfolgt schnell eine Korrektur, weil jeder die Konsequenzen seines Handelns spürt. Ohne das staatliche Geldmonopol mit der Möglichkeit, unbegrenzt Fiat-Geld zu schaffen, könnte es weder das Corona-Regime mit den Lockdowns und Impfanweisungen noch das Klima-Regime mit der absichtlich herbeigeführten Verknappung von Energie geben. Und ohne die Machtballung in der Hand der Staatsgewalt, die sich die genannten Kräfte zu Nutze machen, könnte es auch nicht das gezielt herbeigeführte, über einen längeren Zeitraum andauernde Versagen von Urteilskraft geben.
Der erste Schritt weg von der real existierenden Postmoderne besteht in der Tat darin, Urteilskraft wieder einzusetzen und sich nicht durch Indoktrination die eigene Urteilsbildung nehmen zu lassen. Das alleine wird schon zu einer Begrenzung der staatlichen Machtballung führen. Der zweite Schritt ist dann, Skepsis gegenüber Machtkonzentration zur Geltung zu bringen und von unten soziale Gemeinschaften aufzubauen. Man kann damit an Beispielen zeigen, wie freiwillige soziale Interaktionen und Gemeinschaften das leisten können, wozu angeblich eine Staatsgewalt erforderlich ist. Man muss die Menschen intellektuell von den Ideen und praktisch anhand von Beispielen überzeugen. Das erfordert Zivilcourage als dritten Schritt.
Gemäß Kants berühmtem Aufsatz zur Beantwortung der Frage „Was ist Aufklärung?“ von 1784 ist der freie öffentliche Gebrauch der Vernunft der wesentliche Schritt zur Aufklärung. Aufklärung und die durch sie bewirkte Auflösung der Macht über die Menschen in der Hand einer Staatsgewalt erfordert den Mut, sich ein eigenes Urteil zuzutrauen und dieses öffentlich auszudrücken. Im Gegensatz zur militärischen Courage unter der Befehlsgewalt eines mächtigen Kriegsherrn kann sich Zivilcourage nur von unten und anarchisch, ohne Herrschaft und aus eigenem Antrieb entfalten. Hier ist jeder gefordert und hierzu kann jeder beitragen.
Der technologische Fortschritt gibt uns Mittel an die Hand, ein freies und erfülltes Leben zu befördern, indem er Handlungsoptionen erweitert. Er führt nicht von sich aus zur globalen technokratischen Steuerung der Gesellschaft. Es ist an uns, uns nicht von den Machtansprüchen selbsternannter Experten und Technokraten entmündigen zu lassen. Hinter diesen Machtansprüchen steht die Ideologie des politischen Szientismus. Diese Ideologie fällt in sich zusammen, sobald man die Wissensansprüche und Moralvorstellungen, auf denen sie beruht, hinterfragt; denn sie speist sich daraus, die wissenschaftliche Methode kritischen Hinterfragens auszuschalten und die Begriffe bis hin zu den moralischen Begriffen umzudeuten.
Unsere Chance ist, dass das Regime der real existierenden Postmoderne vor dem Einsatz offener physischer Gewalt zurückschreckt. Dieses Regime lebt von der Indoktrination – davon, dass die Menschen sich ihre Urteilskraft nehmen lassen und den angeblich wissenschaftlichen und angeblich moralischen Vorgaben folgen, die dieses Regime setzt. Es gibt heute keine sowjetischen Panzer mehr, die ein totalitäres Regime aufrechterhalten könnten, auch wenn niemand mehr an das Narrativ glaubt. Wenn genügend Menschen nicht mehr mitlaufen, ist das Regime am Ende. Das ist die Chance, die wir mit dem Einsatz von Zivilcourage nutzen können, um das Regime der real existierenden Postmoderne zu stoppen, bevor es im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruch endet. Wenn genügend Menschen diesen Mut aufbringen, dann hat die Moderne mit dem Einsatz von Vernunft zur Begrenzung der Ausübung von Macht wieder eine Chance.
Zusammenfassung
Es ist eine Illusion zu denken, dass die offene Gesellschaft auf einen öffentlichen Raum angewiesen ist, der von der Staatsgewalt mit einer quasi monopolhaften Stellung über einflussreiche Medien, das Bildungssystem und die Wissenschaft organisiert wird. Eine solche Machtballung in der Hand der Staatsgewalt ist vielmehr die größte Gefahr für die offene Gesellschaft. Um die real existierende Postmoderne zu beenden, müssen wir zu den Wurzeln der Moderne zurückgehen. Es ist eine Entflechtung der Machtkonzentration bei der Staatsgewalt erforderlich, genau wie zu Beginn der Moderne das Machtkonglomerat von Kirche und Staat zerschlagen wurde und sich dadurch der Rechtsstaat und die freie Wissenschaft entwickelt haben. Insofern die Staatsgewalt eine Aufgabe hat, ist diese auf das Rechtsleben beschränkt mit der Durchsetzung von gleichem Recht für alle. Davon zu trennen sind das Wirtschaftsleben mit arbeitsteiligem Wirtschaften, in das jeder seine Fähigkeiten einbringen kann, und das Geistesleben mit einem Bildungs- und Wissenschaftssystem, das nicht staatlichen Vorgaben unterworfen ist. Um dieses zu erreichen, sind drei Schritte wesentlich:
- Urteilskraft stärken.
- Skepsis gegenüber Machtkonzentration und Aufbau vom Staat unabhängiger sozialer Gemeinschaften.
- Zivilcourage zeigen mit dem Mut zu freiem öffentlichen Gebrauch seines Verstandes.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Buch Land ohne Mut: Eine Anleitung für die Rückkehr zu Wissenschaft und Rechtsordnung von Michael Esfeld, erschienen bei Achgut Edition.