Die Fakten: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Schweiz. Sie habe zu wenig getan, um den Klimawandel zu bekämpfen.
Warum das wichtig ist: 17 Richter entscheiden, was 5,5 Millionen Schweizer zu entscheiden haben. Dieses Gericht ist eine Gefahr für den Rechtsstaat und die Demokratie.
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das gestern in Strassburg bekannt wurde, ist skandalös. Es zeigt alle Abgründe auf, die die Globalisierung der Politik bedeutet, etwas polemisch auch Globalismus genannt.
Worum geht es?
Der EGMR hat eine Klage des Vereins KlimaSeniorinnen gutgeheissen, wonach die Schweiz das Menschenrecht von älteren Frauen verletze, zumal es zu wenig dafür tue, um die Klimaerwärmung abzuschwächen:
- «Wir ältere Frauen leiden besonders unter den Folgen der Klimaerwärmung» beschwerten sich die gut 2000 Frauen, die dem Verein angehören.
- «Der Klimawandel mit seinen immer häufigeren und intensiveren Hitzewellen ist lebensbedrohlich für ältere Personen, vor allem Frauen. Dies erleben wir persönlich»
Wenn sich so auf den ersten Blick ein paar liebenswürdige Grossmütter zusammengetan haben, die sonst ihre Enkel mit Kaffee und Kuchen umsorgen, dann handelt es sich natürlich um eine geschickte, verdeckte Operation. Grossmütter als Agenten unter der Tarnkappe. Im Hintergrund steht nämlich Greenpeace, ein Multi unter den NGOs, ein Krösus des politischen Aktivismus, der auch die Klage weitgehend finanziert und marketingmässig sowie politisch unterstützt hat. Es ist ein Triumph für Greenpeace, wenn auch ein teurer:
- Allein die Rechtskosten beliefen sich auf mindestens 700 000 Franken, wie die NZZ am Sonntag vor zwei Jahren recherchiert hat; inzwischen dürften sie noch höher liegen.
- Hinzu kamen zu jenem Zeitpunkt noch 500 000 Franken, die für die Kampagne eingesetzt wurden, auch dieser Betrag ist seither bestimmt noch um Einiges gestiegen.
Es ist ein Triumph – und ein Desaster für den Gerichtshof. Denn dieser Entscheid dürfte die Glaubwürdigkeit der Institution, die einst einem guten, würdigen Zweck diente, weiter ruinieren. Warum? Sine lege nulla poene: Ohne Gesetz keine Strafe, lautet einer der ältesten und heiligsten Grundsätze des westlichen Rechtstaates.
Wenn man schon nur die Rechtsgrundlage untersucht, auf die sich die 17 Richter in ihrem Urteil stützen, dann erweist sich, dass diese Richter, die Recht sprechen sollten, das Recht mit fast atemberaubender Frivolität gebeugt haben. Wer den Rechtsstaat liebt, dem müsste das schlaflose Nächte bereiten.
Gemäss Urteilsbegründung hat die Schweiz die Artikel 8 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gebrochen, indem sie die Seniorinnen zu wenig vor den negativen Auswirkungen des Klimawandels geschützt habe. Unter anderem hält das Gericht unserem Land vor, dass wir die Klimaziele des Pariser Abkommens noch nicht erreicht hätten, wobei damit in erster Linie die Regierung gemeint ist.
Was steht in diesen beiden Artikeln?
Von zentraler Bedeutung für das Urteil ist Artikel 8. Es lohnt sich, ihn Wort für Wort zu lesen, wenn nicht zu inhalieren. Ich zitiere vollständig:
«Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens)
- Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
- Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.»
Haben Sie irgendwo etwas von Klimaschutz gelesen? Natürlich nicht. Der Text wurde 1950 geschrieben, zu einem Zeitpunkt, da vom Klimawandel noch kaum jemand sprach. Man mag das bedauern. Gleichwohl gilt der Text noch heute – in dieser Form, in keiner anderen.
Oder sehen Sie irgendwo den Passus, dass der Staat etwas für ältere Frauen tun müsste, die unter Hitzewellen leiden? Im Gegenteil. Wie das ursprünglich der Sinn der Menschenrechte war, sollten wir Menschen vor allen Dingen vor dem Staat geschützt werden.
- Kein Polizist soll einfach in unser Haus einfallen dürfen
- Kein Beamter unsere Post öffnen
- Keine Behörde uns unsere Kinder wegnehmen
Dass es den Verfassern der EMRK darauf ankam, ist verständlich, zumal es damals noch keine fünf Jahre her war, dass etwa in Deutschland um 4 Uhr nachts die Gestapo an der Tür stand, um einen unbescholtenen Bürger ins KZ abzuführen. Das verstand man unter Schutz des Familienlebens. Darum drehte es sich. Das war richtig und wichtig.
Wie die 17 Richter aus diesem Artikel 8 ableiten können, dass der Staat uns vor dem Klimawandel zu schützen hätte, besonders die älteren Frauen, wo es doch nur darum ging, uns vor einem übergriffigen Staat zu bewahren, ist ein Geheimnis, das niemand ergründen kann. Wohl auch die Richter selbst nicht.
Das sind keine Richter. Das sind politische Aktivisten, die das Recht in die eigenen Hände nehmen, um Gesetze zu schreiben, die es nicht gibt, geschweige denn, dass ihnen das überhaupt zustünde. Es steht ihnen nicht zu. Im Westen gilt noch immer die Gewaltentrennung. Richter dürfen sich nicht zu Gesetzgebern aufschwingen. Das sind keine Richter. Das sind Rechtsbrecher.
Übrigens, dass ich es nicht vergesse: Wovon handelt eigentlich Artikel 6? Da geht es um das Recht auf ein faires Verfahren, das die Schweiz gebrochen haben soll, weil unsere Gerichte die Klage der KlimaSeniorinnen abgewiesen hatten. Vielleicht, weil sich unsere Richter anders als ihre Strassburger Kollegen ans Recht gehalten haben, wo nirgends von einem Recht auf Klimaschutz die Rede ist? Hat da jemand Känguru-Gericht gesagt?
Wer es genauer wissen will:
Die EMRK: https://www.echr.coe.int/documents/d/echr/convention_deu
Das Urteil, Kurzfassung des EGMR: https://hudoc.echr.coe.int/fre-press#%7B%22itemid%22:%5B%22003-7919428-11026177%22%5D%7D
Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Text, der beim Nebelspalter erschienen ist.