Stellen wir uns einmal vor, wir sind auf einer Insel. Auf dieser Insel leben genau zwei Menschen. Beide sind zum gleichen Zeitpunkt dort gestrandet, beide haben nichts. Der eine baut eine Hütte, sammelt Nahrung, legt Vorräte an. Der andere genießt die Sonne, isst, was er findet, schläft am Strand.
Dann brechen schlechte Zeiten an, die Nahrung wird knapper, die Nächte kälter. Eines Tages kommt mit dem Schiff ein Anwalt (möglicherweise ein Sozialdemokrat) auf die Insel. Da sich in unserem Beispiel nun drei Personen auf der Insel befinden, kann man jetzt von einer Gruppe sprechen. Der Dritte könnte auf die Idee kommen, Gesetze für diese junge Gemeinschaft zu entwerfen, die das Zusammenleben erleichtern sollen. Für diese hochwertige Arbeit möchte er ein Drittel der Erträge aller Inselbewohner. Da der eine nichts hat, muss er auch nichts abgeben. Der andere gibt ein Drittel seiner Vorräte.
Um die Ungleichheit zu bekämpfen, ordnet der Regelmacher an, dass der eine seine Vorräte mit dem anderen teilen müsse. Von den verbliebenen zwei Dritteln gibt der eine Inselbewohner also dem anderen ein weiteres Drittel ab. Nun haben alle ein Drittel. So haben wir einen Arbeiter, einen direkten Subventionsempfänger und einen indirekten Subventionsempfänger, den man Politiker nennen könnte. Das geht so lange gut, wie der wertschöpfende Part das Spiel nicht durchschaut und seine Arbeit einstellt.
Privilegien führen zu Politikverdrossenheit
Mit der Feststellung, dass in weiten Teilen der Bevölkerung Unzufriedenheit über die Politik herrscht, lässt sich kein großes Erstaunen mehr erzeugen. Über den Millionenbetrug bei Corona-Testzentren, die ausufernde Aufstockung des Beamtentums oder die Eskapaden bei öffentlichen Bauprojekten wie dem Berliner Flughafen lächelt man nur noch müde. Trotz vielerlei Spekulation und Diskussion über die möglichen Ursachen ändert sich nicht wirklich etwas.
Immer wieder wird gefragt, wie eine bessere Politik möglich sei. Schon in der Frage liegt ein Fehler: Wenn das Essen jedes Mal versalzen ist, sollte man nicht nach besserem Salz fragen, sondern nach weniger Salz verlangen. Wenn Politik Probleme nicht löst, ist es vielleicht sinnvoller darüber nachzudenken, ob nicht eher die Abwesenheit von Politik das Problem lösen kann.
Privilegien nagen am gesellschaftlichen Zusammenhalt
Die Politik hat sich daran gewöhnt, ihre Aufgabe sei das Verteilen von Geschenken. Die Bevölkerung hat sich daran gewöhnt, Geschenke von der Politik einzufordern. Unser politisches System lebt vom Fordern von Privilegien. Fast jede Forderung einer gesellschaftlichen Gruppe kann man unter diesem Aspekt beleuchten.
Selbst die Klimakleber fordern Privilegien. Ihre Forderungen kann man nachlesen. Es geht ihnen nicht um weniger Massentierhaltung oder den Erhalt von Naturschutzgebieten. Dafür hätte ich durchaus Sympathie. Nein, sie wollen, dass das 49-Euro-Ticket wieder 9 Euro kostet. Sie wollen 40 Euro sparen, die andere Menschen bezahlen sollen. Sie fordern nicht einmal, die Qualität des Bus- und Bahnverkehrs zu verbessern. Zahlen müssten das dann diejenigen, denen es zu voll ist und die daher auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Daher sind diese Menschen aus meiner Sicht auch keine Umweltschützer, sondern Lobbyisten. Wer fordert, kostenlos mit dem Bus fahren zu dürfen, sollte sich fragen, ob er den Bus auch kostenlos als Fahrer fahren würde.
Der Staat ist ein Monopolist. Er verfügt über das sehr seltene Privileg, nicht die gleiche Verantwortung für Effizienz tragen zu müssen wie Unternehmen in einem freien Markt. Denn während Unternehmen ständig um Kunden buhlen und ihre Effizienz verbessern müssen, um zu überleben, wird der Staat unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft finanziert.
Man muss nur einmal schauen, was schneller zu beantragen ist: Eine Kreditkarte oder ein Personalausweis? Die Kreditkarte haben Sie vermutlich schon im Briefkasten, während Sie noch darauf warten, dass beim Bürgeramt überhaupt ein Termin frei wird. Bei Ersterem ist der Service völlig digital, für Zweiteres müssen Sie höchstwahrscheinlich sogar einen Urlaubstag nehmen.
Der Staat legt selbst fest, was er kostet und was er leistet, etwa, als ginge ich in den Supermarkt und bekäme ungefragt einen Korb mit Chips, Milch und sauren Gurken und direkt die Rechnung über 10 Euro dafür in die Hand gedrückt. Und im Wahlkampf gibt es noch eine kleine Tüte Gummibärchen extra.
Abschaffung von Privilegien als Lösung
Das Wahlrecht ist kaum ein geeignetes Korrektiv, denn meist ist es so, dass die eine Partei mehr Chips, die andere Partei mehr Milch und wiederum eine andere Partei mehr saure Gurken fordert, aber kaum ein Politiker fordert weniger Politik. Dadurch entwickelt sich ein Wettstreit der Privilegien.
Genauso ist es auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da hat man weder Kontrolle über das Angebot noch über den Preis. Es ist, als ob Sie ein Auto kaufen müssten, ohne vorher Modell und Farbe zu kennen – und der Preis wird Ihnen ohne Verhandlung vorgegeben. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ein gutes Beispiel, bei dem man fühlen kann, dass der Staat Macht ausübt. Trotz des grossen Wunsches in grossen Teilen der Bevölkerung, diesen Beitrag nicht mehr oder viel weniger zahlen zu müssen, bewegt sich wenig. In Deutschland wird sogar eine Erhöhung gefordert. Am Beispiel des öffentlich-rechtlichen Rundfunks lässt sich sehr gut aufzeigen, wie beständig oder gar hartnäckig Strukturen sind, die einmal in einen bürokratischen Rahmen gegossen wurden.
Das Prinzip der Politik ist, Gutes mit dem Geld anderer Menschen tun zu wollen. Dieses Prinzip stößt an seine Grenzen. Während man in der Politik keine Mindestqualifikation, kein Einstellungstest und kein Praxisbeweis braucht und die Menschen am unteren Ende der Gesellschaft durch Sozialhilfe aufgefangen werden, ächzt die Mitte der Gesellschaft zunehmend unter der Last einer expansiven Politik, die sich für vieles interessiert, aber nicht für die Bevölkerung, die sie eigentlich vertreten sollte.
Die Politiker glauben, sie müssten ihre Politik den Bürgern nur besser erklären, um das Vertrauen zurückzugewinnen. Auf die Idee, dass die Bürger die Politik verstehen, aber diese Politik nicht wollen, darauf kommen sie jedoch nicht. Glauben Sie nicht an den Mythos des „kaputtgesparten Staates“: Die Ausgaben der meisten westlichen Länder weltweit sind in den letzten Jahren angestiegen. Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem!
Es gibt keine bessere Politik. Besser ist nur weniger Politik.
Nickolas Emrich
Nickolas Emrich ist überzeugt, wir brauchen keine bessere Politik, sondern weniger Politik. Als Jurist, Unternehmer und Polizeiausbilder hat Nickolas Emrich vielfältige Erfahrungen gewonnen. Er war Vorsitzender der Studierendenschaft seiner Hochschule: Dort halbierte er die Anzahl aller Referenten und ihre Bezüge – einschließlich seiner eigenen. In seinem Buch erklärt er, warum sich Politik immer ausdehnt – und weshalb man nicht auf angeblich bessere Politik hereinfallen sollte, sondern sich als Bürger lieber weniger Politik wünschen sollte. Es gibt einen bestimmten Aspekt, der ganz besonders am gesellschaftlichen Zusammenhalt nagt: Die Privilegien.