Gemäss der aktuellen PwC-CEO-Umfrage unter Unternehmensführern weltweit bleibt Überregulierung eine der Hauptsorgen neben geopolitischen Unsicherheiten und monetären Risiken. In fortgeschrittenen Ländern machen die Compliance-Kosten mittlerweile schätzungsweise rund 10 bis 12 Prozent des BIP aus. Eine Kostenschätzung von KPMG und dem Schweizerischen Gewerbeverband für die Schweiz kommt zum Schluss, dass alleine in den Themenfeldern Arbeitsrecht/-sicherheit, Sozialversicherungen und Lebensmittelhygiene jährliche Regulierungskosten in der Höhe von rund 3,8 Milliarden Franken anfallen. Überregulierung ist schädlich, weil es unternehmerische Freiheiten reduziert, Innovationen dämpft und das Wirtschaftswachstum mindert. An der internationalen Better Regulation Conference vom 25. September in Genf nahm sich das Liberale Institut der Überregulierungs-Problematik in Zusammenarbeit mit dem europäischen Think Tank-Netzwerk Epicenter an.
Für die heutige Überregulierungs-Flut wurden viele Gründe ausgemacht. Genannt wurde etwa das Emotions-getriebene Überreagieren nach einschneidenden Ereignissen. Politiker würden oft deshalb gesetzgeberisch aktiv, weil sie sich dadurch medial in der Öffentlichkeit präsentieren und für die kommenden Wahlen empfehlen könnten. Sie erliessen dabei nicht notwendigerweise Regulierungen, die Probleme lösten, sondern solche, mit welchen sie sich besonders gut als jemanden inszenieren könnten, der handle. Es wurde aber auch die Tatsache angesprochen, dass Regulierungen wie etwa Zölle, Quoten, Monopol-Rechte, Markteintrittsbarrieren, Preiskontrollen, übermässige Qualitätskontrollen und exzessive Sicherheitsvorschriften einigen Akteuren Vorteile auf Kosten anderer verschaffen. Während die Vorteile solcher Regulierungen für die betroffenen Gruppen substantiell seien, verbinde die breite Allgemeinheit die höheren Kosten, die sie deshalb zu tragen hätte, nicht notwendigerweise mit diesem Phänomen der Privilegien-Beschaffung.
Es wurde vor allem konstatiert, dass der freie Markt grundsätzlich der bessere Regulator sei als die staatliche Verwaltung. Wettbewerb sei nicht nur dazu in der Lage, den Konsumenten- oder Investorenschutz zu gewährleisten, er tue dies auch, ohne neue Probleme zu verursachen, was staatliche Regulierungen typischerweise tun, etwa durch Rent-Seeking, unbeabsichtigte Folgen oder Marktverzerrungen. Entscheidend sei in erster Linie die Rolle der Reputation, welche einen starken Anreiz darstelle, um die Qualität und die Sicherheit von Produkten zu garantieren. Ebenfalls wichtige Institutionen seien die Vertragsfreiheit und die individuelle Wahlfreiheit, damit Konsumenten und Investoren sich frei für oder gegen gewisse Angebote aussprechen könnten, womit Schlechtes praktisch automatisch wieder vom Markt verschwinde.
Die Herausforderung der Informations-Asymmetrien zwischen Konsumenten und Produzenten, die heute oftmals mit bürokratischen Konsumenten- und Investorenschutz-Vorschriften adressiert werden, könnten effektiver gelöst werden. Auf einem freien Markt seien anstelle des Regulators auch private Zertifizierungsstellen aktiv, die Auskunft über die Qualität geben können. Deren Geschäftsmodell basiere dabei auf Prinzipien wie Unbestechlichkeit und Unabhängigkeit und damit ebenfalls auf der eigenen Reputation. Auch Garantien oder Möglichkeiten des kostenlosen Ausprobierens stellen Möglichkeiten dar, die Informations-Asymmetrie ohne staatliche Regulierungen zu überwinden.
Falls trotz allem eine legitime Notwendigkeit für eine staatliche Regulierung bestehen sollte, so sei darauf zu achten, dass diese nicht-diskriminierend, proportional, Evidenz-basiert, relevant zum bestehenden Kontext, klar, einfach verständlich, berechenbar, fair und in gutem Glauben ausfalle. Willkür und Unsicherheiten seien bei solchen Regulierungs-Erlassen auf jeden Fall zu vermeiden. Eine Stärke der Schweiz sei es, dass kein Gesetz initiiert werden könne, ohne vorherigen breiten Dialog mit den Stakeholdern — etwa in Form eines Vernehmlassungsverfahrens. Dies vermeide diverse Fallstricke. Es helfe dem Gesetzgeber dabei, die zu regulierenden Gebiete besser zu verstehen und möglicherweise schlimme ungewollte Folge- und Nebenwirkungen zu vermeiden. Stakeholder sollten sich dabei früh im Regulierungsentstehungs-Prozess engagieren, und zwar bevor eine Regulierung überhaupt erst entworfen werde. Man solle sich über das Problem informieren, das adressiert werden wolle, um so allfällige alternativen Lösungen präsentieren zu können, die weniger gravierend in die freien Austauschprozesse eingreifen.
Eine Sonderpublikation mit den an der Better Regulation Conference vorgestellten Papers ist in Vorbereitung.
Weitere Informationen:
Better Regulation Conference