Das Bildungsprojekt «Jugend debattiert» bringt aktuelle politische und gesellschaftliche Themen direkt an die Schulen. Es befähigt Jugendliche anhand einer Sachfrage zu kontroversen Themen zu debattieren und so eine gute Debattenkultur zu erlernen. Dafür stellt das Bildungsprojekt Schulen und Lehrpersonen Themendossiers zu aktuellen Abstimmungen und Debatten zur Verfügung. LI-Direktor Olivier Kessler hat für das aktuelle Themendossier einen Beitrag beigesteuert, das sich um die folgende Frage dreht: «Sollen Schönheitsoperationen an Personen unter 18 Jahren verboten werden?» Im Folgenden lesen Sie die Stellungnahme, die unter dem Titel «Keine Gewaltandrohung bei freiwilligen Handlungen» erschienen ist.
Verbote als Allheilmittel?
Im heutigen staatsgläubigen Meinungsklima, wo sich der Staat als allwissender und allmächtiger Gottersatz aufspielt, tendieren wir dazu, alle Fragen des Geschmacks auf dem Verbotsweg anzugehen. Was wir persönlich schlecht finden, soll der Staat unterbinden. Dabei wird ausgeblendet, dass Bewertungen von Handlungen individuell und subjektiv sind. Bei mündigen Erwachsenen darf der Staat daher nicht eingreifen, wenn eine Handlung freiwillig vorgenommen wird und dabei niemand zu Schaden kommt. Minderjährige brauchen die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters.
Gegen Verbote von Schönheitsoperationen einzustehen, bedeutet nicht, dass man Schönheitsoperation persönlich eine gute Sache finden muss. Ich persönlich lehne Schönheitsoperationen ab, würde mich solchen nie unterziehen und auch meinen Kindern aus verschiedenen Gründen dringend davon abraten.
Kein Recht auf Gewaltandrohung oder -anwendung
Doch es geht hier nicht um meinen persönlichen Geschmack. Es geht um die grundsätzliche Überzeugung, dass niemand ein Recht dazu hat, anderen Menschen mit Zwang und Gewalt einen Lebensstil aufzuzwingen. Bei Verboten handelt es sich um nichts anderes: Wer gegen ein Verbot handelt, dem wird ein staatliches Übel angetan, sei es in Form von gewaltsamer Eigentumsentnahme (Busse) oder Freiheitsentzug (Gefängnis).
Wenn sich beide Vertragsparteien – also Schönheitschirurgen und Patienten – auf eine OP einigen, so haben unbeteiligte Dritte kein Recht, gewaltsam dagegen vorzugehen.
Bei Minderjährigen macht es bei so wichtigen Vertragsabschlüssen wie einer OP Sinn, dass die Eltern als gesetzliche Vertreter agieren, weil man hier davon ausgehen kann, dass die Eltern für ihre Kinder nur das Beste wollen. Das Einverständnis beider Eltern ist also nötige Voraussetzung für das Zustandekommen des Vertrags.
Fazit
Schönheitsoperationen sind Geschmackssache. Auch wer Schönheitsoperationen persönlich ablehnt, sollte sich gegen Verbote einsetzen. Denn Verbote sind nichts anderes als die unethische Androhung und Anwendung staatlicher Gewalt gegen Unschuldige.