Das Sozialkreditsystem in China gilt vielen als abschreckendes Beispiel für die totale Kontrolle des Überwachungsstaates über seine Bürger: Denn wer sich nicht exakt so verhält, wie die politischen Herrscher es wollen, verliert z.B. den Zugang zu seinem Bankkonto. Oder dessen Kinder sind nicht mehr auf guten Schulen zugelassen.
Zum Glück ist ein solches Szenario bei uns undenkbar. Oder etwa doch nicht? Es gibt jedenfalls Stimmen, die eingängig davor warnen, dass bereits viele Schritte in die Richtung unternommen würden, um auch bei uns ein solches Unterdrückungsregime zu etablieren.
Was bedeutet ein Sozialkreditsystem für die Bürger? Und wie könnte man sich dagegen zur Wehr setzen? Mit diesen Fragen befassten sich am LI-Gespräch vom 11. April 2024 rund 140 Teilnehmer.
In seiner Einführung erläuterte LI-Direktor Olivier Kessler, wie das Sozialkreditsystem in China funktioniert. Für «gutes Verhalten» gebe es Pluspunkte – wobei die Herrschenden bestimmten, was «gut» sei. Wer die politische Klasse kritisch hinterfrage, sich nicht genau so verhalte, wie die Politiker das wollten, oder gar offen Opposition betreibe, der kriege die Quittung in Form von Punkteabzügen. Mit einer niedrigen Punktezahl werde einem der Zugang zu wichtigen Gütern und Diensten wie etwa Bildung, Transport und Finanzwesen eingeschränkt oder sogar ganz gekappt.
Vermutlich seien die westlichen Funktionäre, Politiker und Technokraten neidisch auf die Gestaltungs-, Kontroll- und Nudgingmöglichkeiten ihrer chinesischen Kollegen und wünschten sich insgeheim (oder manchmal sogar ganz offen) ebenfalls ein solches Sozialkreditsystem herbei. Zumindest sei ein klarer Trend bei Verlautbarungen internationaler Organisationen und westlicher Denkfabriken zu erkennen, die sich nicht etwa gegen ein solches inhumanes System stellten, sondern viele Elemente davon offen postulierten.
In seinem Referat ging Dr. Markus Krall, Volkswirt und angesehener Publizist, detailliert auf das Sozialkreditsystem in China ein und erläuterte die Unterschiede zum «Social Scoring System», das sich in der westlichen Welt im Aufbau befinde.
Das chinesische System zeichne sich unter anderem durch eine massive Datensammlung aus via Social Media-Verhalten, Suchmaschinen-Begriffe, Videoüberwachung mit Gesichtserkennung (z. B. beim Einhalten von Verkehrsregeln), Kaufverhalten, Einkommensquellen, Bewegungsprofil (wobei ausgewertet wird, mit welchen Menschen man sich treffe), elektronische Kommunikation (Mail, Telefon, SMS etc.), Kundenverhältnisse (Kontaktanalyse) etc.
Diese enorme Datensammlung werde zudem in Echtzeit mittels künstlicher Intelligenz ausgewertet. Die Daten würden interpretiert und flössen in eine Punktebewertung ein. Aus dieser Punktezahl ergebe sich die Einstufung in verschiedene Bürgerklassen, wobei die Klassen mit genügend hoher Punktezahl über Privilegien verfügten und jene mit zu wenig Punkten in ihren Möglichkeiten eingeschränkt würden. Die Sanktionen bei Fehlverhalten fingen beim Aufleuchten eines roten Bildschirms auf dem Smartphone an, wo dem Bürger angezeigt werde, dass diese Handlung so nicht in Ordnung gewesen sei. Bei wiederholtem Fehlverhalten komme es zu einer Blockade des Zugriffs auf digitale Leistungen bis hin zu physischen Sanktionen – sprich: Der Staat schicke seine Zwangsvollstrecker vorbei, inhaftiere die ungehorsamen Bürger oder ermorde diese.
Auch im Westen sei ganz klar zu erkennen, wie ein Puzzlestück nach dem anderen zusammenkomme, um ein solches Sozialkreditsystem zu errichten. Die Vorgaben seien allerdings etwas anders als in China: Sie wechselten schneller und unterlägen ständigem Narrativwechsel: Gestern sei es Corona gewesen, heute das Klima, Gendern, der Wokeismus, und morgen vermutlich der Krieg.
Beispiele für solche Puzzlestücke im Westen seien die folgenden:
- Nebst der Abschaffung des Bargelds sei die Einführung eines digitalen Zentralbankgelds (CBDC) zentral, welches alle Transaktionen eines jeden abspeichere und die totale Überwachung und Kontrolle über den Zahlungsverkehr anstrebe. So werde genau nachverfolgbar, wer wann wo was bei wem und zu welchem Preis gekauft habe – von der Wiege bis zur Bahre herrsche dann die totale finanzielle Transparenz.
- Ebenfalls bereits im Aufbau befinde sich ein EU-weites Vermögensregister, bei welchem alle Vermögensgüter von Wert in einem zentralen Register festgehalten werden. So könnte der Besitz von Gold oder von Aktien eines Kohlekraftwerks künftig einfach erfasst und in Punkteabzügen resultieren.
- Persönliches CO2-Konto: Damit solle eine bestimmte Menge an erlaubtem CO2-Ausstoss durch Technokraten festgelegt und dem Bürger bei Überschreiten in Rechnung gestellt werden, was zu einem automatischen Abzug vom CBDC-Konto führen könnte.
- Bewegungsprofile zur Erfassung des sozialen Umfelds. Wer sich in freiheitsliebenden Kreisen aufhalte oder sich mit regierungskritischen Personen treffe, dessen «Social Score» könnte umgehend herabgestuft werden. Dies sei eine der mächtigsten Waffen eines solchen Systems, weil es zur sozialen Ausgrenzung von Nonkonformisten führe und damit alle auf Linie gebracht werden sollen.
- Überwachung des Surfverhaltens im Internet, auf den sozialen Medien, des Emailverkehrs, Telefongespräche etc. Spätestens seit den Enthüllungen durch Edward Snowden wüssten wir, dass die Staaten diese Daten nicht nur von potenziellen Verdächtigen, sondern umfassend von der ganzen Weltbevölkerung sammelten und auswerteten.
- ESG als Sozialkreditsystem für Unternehmen: Hier gebe es Punkteabzug, wenn man am Firmensitz keine Regenbogenfahnen aufhänge, man seine Mitarbeiter nicht auf die «Demo gegen rechts» schicke, keine Quote für LGBTQ-Minderheiten implementiere etc. Wer zu wenig Punkte auf seinem Firmenkonto habe, bekomme keine neuen Kredite mehr. Dies führe zu einer massiven Fehlallokation von Kapital, weil dieses in ideologisch geprägte Projekte und nicht mehr in die betriebswirtschaftlich sinnvollen Unterfangen fliesse. Die Folge seien Finanzkrisen, Verarmung und Niedergang.
- Eine universelle ID auf EU-Ebene und eine elektronische Gesundheitsakte seien weitere Elemente, an denen gearbeitet werde und die zu einer Zentralisierung von intimen Personendaten führten.
- Impfpass und Impfzwang: Wer sich künftig gegen regelmässige gesundheitspolitische, experimentelle Eingriffe entscheide, dem könne nicht nur der Punktestand heruntergestuft, sondern auch das Reisen untersagt werden.
In der anschliessenden Publikumsdiskussion wandte man sich unter anderem der Frage zu, was jeder Einzelne tun könne, um solch ein inhumanes System in der Schweiz und in der «freien Welt» zu verhindern. Zentral sei die Aufklärungsarbeit. Wir müssten unseren Mitbürgern klarmachen, wo diese Reise ende: nämlich im Sozialismus und all seinen Begleiterscheinungen: nämlich einem totalitären Überwachungs- und Kontrollstaat, in Konformismus, Ausgrenzung, Massenarmut, Verfolgung von Andersdenkenden und Massenmord. Die Bürger dürften nicht aufhören, darüber zu sprechen und vor den Folgen eines Sozialkreditsystems zu warnen. Sei erst einmal eine kritische Masse erreicht, könne man den kriminellen Drahtziehern, die ein solches verbrecherisches System einführen wollten, das Handwerk legen und die offene Gesellschaft auch für die kommenden Generationen bewahren.
Der schlimmste Feind sei die Angst: Man dürfe sich nicht fürchten vor den Konsequenzen seines persönlichen Einsatzes gegen ein solches System. Wer sich heute nicht wehre und die Bösartigkeit eines solchen Plans nicht klar benenne, werde morgen alles verlieren, was ihm lieb und teuer ist. Widerstand und Aufklärung seien insofern alternativlos, wenn unser Wohlstand, unsere Freiheit und das Menschliche überleben sollen.
PowerPoint-Präsentation von Dr. Markus Krall: Sozialkreditsystem-PDF