Kontra-Punkt: Warum staatliche Rettungspläne schädlich sind

In der jüngsten Ausgabe von «Finanz und Wirtschaft» plädiert Pierre Bessard, Direktor des Zürcher Liberalen Instituts, nicht für eine Regulierung, sondern im Gegenteil für eine umfassende Liberalisierung der Finanzmärkte.

Hier seine Hauptargumente:

«Die aktuelle Finanzkrise hat der staatlichen Intervention in die Kapitalmärkte eine ungeahnte Popularität zuletzt auch in der Schweiz verschafft. Mehr als ein paar Strohfeuer haben die staatlichen jedoch bisher nicht entfachen können. Warum war dies nicht anders zu erwarten?

Zunächst muss in aller Deutlichkeit festgestellt werden: Ohne die expansive staatliche Geldpolitik und den verfehlten politischen Druck zugunsten laxer Kreditstandards v. a. in den USA wäre diese Krise nicht eingetreten. Die Quelle des Problems findet sich in staatlichen und parastaatlichen Institutionen, die sich planwirtschaftliches Wissen anmassten — nicht etwa in einem freien, Markt. Will man eine treffende Analogie finden, so gleichen die nun aktionistischen Regierungen einem Brandstifter, der an den Ort seiner Tat zurückkehrt — nur um dort das Feuer mit noch mehr Benzin löschen zu wollen.

(…) Als Monopolanbieter von Geld können Zentralbanken selbstverständlich nicht wissen, wie viel Kredit und Geld eine Volkswirtschaft benötigt. Wenn Notenbankchefs eine Volkswirtschaft vorhersehbar lenken könnten, würden Krisen wie die derzeitige nicht existieren. Dass sie dies nicht tun können, ist nicht auf die Unfähigkeit einzelner Zentralbanker zurückzuführen. Es handelt sich um eine systemische Unmöglichkeit, das inhärente Wissensvakuum einer zentralplanerischen Institution durch willkürliche Inflationsziele und eine von Interessengruppen geleitete Politik auszufüllen. Nur durch den freien Markt gesetzte Preise können ihre Informations- und Lenkungsfunktion erfüllen und damit Angebot und Nachfrage in ein gewisses Gleichgewicht bringen.

Was wäre also zu tun? Eine umfassende Liberalisierung der Kredit- und Finanzmärkte ist notwendig. In einer Zeit, in der viele ihre Sympathien für rettungsplanerische und regulatorische Wissensanmassungen entdecken, dürfte keine Forderung schwieriger umzusetzen sein als diese. Doch nur ein Rückzug des Staates kann sicherstellen, dass die direkt betroffenen und sachkundigen Akteure ihre Entscheide auf Basis eigener Ressourcen nach eigener Einschätzung der Risiken treffen können. Nur ein tatsächlich freier Markt erlaubt die Entfaltung des dezentralen Entdeckungsprozesses für angemessene Lösungen (und Regeln!), den unternehmerisches Handeln auslöst und dessen Ergebnisse ein Regulator nie erahnen kann. Nur ein freier Markt kann auch sicherstellen, dass unverantwortliche Akteure tatsächlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Angesichts der Erfahrung der letzten achtzig Jahre handelt es sich bei der Hoffnung auf die rettende Hand des Staates um eine gefährliche Illusion. Trotz der hervorragenden Anpassungsfähigkeit der Märkte wird die Wirtschaft vielmehr den Preis für das nächste, absehbare Staatsversagen zahlen müssen. Ökonomische Gesetze sind nun mal stur — auch in der Not.»

St. Galler Tagblatt

24. Oktober 2008