Rezepte gegen die Teuerung im Gesundheitswesen
Das 1996 eingeführte Obligatorium der Krankenpflegeversicherung hat das angestrebte Ziel einer Kostendämpfung verfehlt. Mehr Wettbewerb unter den Spitälern und eine Aufwertung der Eigenverantwortung der Bürger können einen Ausweg weisen.
«Ein weitverbreiteter Irrglaube ist jener, wonach eine soziale Institution billiger, wenn nicht gar kostenlos wird, wenn sie obligatorisch wird, und dass sie das Erfordernis der Gleichstellung erfüllt.» Mit diesem kernigen Satz distanzierte sich der liberale Geist Louis Guisan schon in den frühen 1970er Jahren von der Idee einer obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KVG).
Gut vier Jahrzehnte später drängt sich der ernüchternde Befund auf, dass das 1996 eingeführte KVG den Kostenschub eher beschleunigt als gebremst hat. Das vom Liberalen Institut aufgelegte Buch «Zu teuer! Warum wir für unser Gesundheitswesen zu viel bezahlen» liefert hierzu Denkanstösse und erinnert an das nicht genutzte Potenzial einer Stärkung von Eigenverantwortung und Wettbewerb im Gesundheitswesen.
Lernen von Singapur
Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die Tatsache, dass ab 1996 die Kosten in der Grundversicherung jährlich um durchschnittlich mehr als 4% gestiegen sind. Im Zeitraum 1985 bis 1993 fiel die jährliche Teuerung im Gesundheitswesen mit 3,7% noch verhaltener aus. Die Alterung der Gesellschaft erklärt einen Teil des zusätzlichen Kostenanstiegs, aber es ist naheliegend, dass die laufende Ausweitung des Leistungskatalogs viel mehr einschenkte.
Die Autoren sprechen von einer Tragik der Allmende, auf der Gemeinschaftsgüter verantwortungslos konsumiert würden. Ein dickes Fragezeichen wird hinter die Prämienverbilligungen gesetzt, von denen im Jahr 2016 schon 27% aller Versicherten profitierten, wobei die Entlastung 4,3 Mrd. Fr. kostete. Eine Möglichkeit zur Kostendämpfung bestünde darin, einkommensabhängige Franchisen um ein Vielfaches heraufzusetzen, was mit einer Stärkung der Eigenverantwortung und der Beschneidung des Leistungskatalogs einherginge.
Singapur liefert einen beachtenswerten Ansatz, der auf individuelle Gesundheitssparkonten baut. Dem System wird eine bemerkenswerte Stabilität attestiert, die sich wohltuend vom chronischen Reformbedarf kollektivistisch finanzierter Gesundheitswesen abhebe. Singapurer können die verzinsten Medisave-Konten für grössere Auslagen wie Krankenhausaufenthalte und Operationen, aber auch für die Pflege chronisch kranker Patienten einsetzen.
Das ist vermutlich um einiges effizienter, weil die geringere Abhängigkeit von staatlichen Subventionen zu Sparsamkeit animiert. Zusatzversicherungen spielen in Singapur hierbei eine gewichtigere Rolle als in der Schweiz, wo diese wegen des immer stärker ausgebauten KVG-Leistungskatalogs ab 1996 sukzessive an Bedeutung verloren haben. Medisave dürfte sich gegenüber dem Schweizer System vor allem dadurch auszeichnen, dass die Verantwortung jedes Bürgers für seine Gesundheit und sein Leben konsequent ins Zentrum gerückt wird.
Der Gesundheitsdirektor trägt zu viele Hüte
Im Buch erfolgt jedenfalls eine scharfe Zäsur, denn im darauffolgenden Kapitel analysiert der Gesundheitsökonom Stefan Felder die Stellung kantonaler Gesundheitsdirektoren im Spitalwesen. Allein schon der Begriff Gesundheitsdirektor atmet jenen autoritären Geist, der in Patienten hilflose Geschöpfe sieht. Die Marktmacht der Spitäler sei erdrückend, ohne dass die Wettbewerbskommission interveniere, lautet ein erster Befund.
Ein zweiter Befund ist, dass öffentliche Spitäler in aller Regel teurer produzieren als private Kliniken. Felder rennt wohl offene Türen ein mit der Forderung, die Mehrfachrolle der Kantone zu überwinden. Kantone sind Betreiber und Eigentümer von Spitälern, fungieren als Aufseher und Schiedsrichter, sind weiter stark in der Spitalfinanzierung involviert und verfügen über ein Monopol zur Eintreibung von Steuern.
Felder sieht als möglichen Ausweg die Option, dass der Bund in Zukunft in der Spitalplanung und auch bei deren Finanzierung die Schlüsselrolle spielen wird. Im Wissen um das föderalistische System dürfte es aber sehr schwierig werden, so die Macht der Kantone im Spitalwesen zu beschneiden.
27. Mai 2019