Eine Krisenbeschreibung ist anspruchsvoll, wenn sie Substanz haben soll. Erforderlich ist eine Theorie des Normalen, ein Diagnosemodell und Kausalität — nicht Korrelation. Doch schon das Begreifen der Normalität fällt in der Ära von Nullzinsen, der Transformation durch Digitalisierung und Automatisierung und eines institutionellen Wandels in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft schwer. Die aktuelle Krise weist eine hohe Komplexität auf mit einer kaum übersehbaren Fülle von Faktoren. Es besteht ein hohes Mass an Ungewissheit über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie, die wiederum die Weltwirtschaft beeinflusst.
Ausmass und Dauer der staatlichen Anti-Pandemie-Massnahmen werden die wirtschaftliche Entwicklung mittelfristig massgeblich beeinflussen. Je länger die Einschränkungen anhalten, desto mehr werden Angebot und Nachfrage vermindert und kommt die wirtschaftliche Tätigkeit zum Erliegen. Das beeinträchtigt Liquidität und letztlich Solvenz von Unternehmen. Wenn viele Unternehmen nur noch wenig Umsatz machen, beginnt sich ein destruktiver Netzwerkeffekt durch Wirtschaft und Gesellschaft zu fressen — vereinfacht: keine Umsätze — keine Arbeit — keine Gehälter — keine Miet- und Kreditzahlungen — keine Nachfrage — keine Produktion — keine Steuern.
Schocks bilden in der langfristigen Entwicklung regelmässig nur eine Delle im Wirtschaftswachstum. Es gibt aber auch gravierende, langfristig bedeutende Einschnitte wie die Grosse Depression. Wir stehen in mehrfacher Hinsicht am Anfang einer Zeitenwende. Krisen verringern Freiheit und forcieren Etatismus und Zentralismus sowie wohlstandsvernichtenden Protektionismus. Überholte Strukturen werden konserviert, Zombie-Unternehmen gestützt. Krisen bieten aber auch Chancen. In Krisen wächst Wissen. Krisen können Missstände bereinigen. Krisen gehen vorüber. Die weltweite Vernetzung ist die Voraussetzung für Frieden und Wohlfahrt und stellt uns weitaus besser als zur Zeit der Spanischen Grippe. In langer Frist geht es fast allen besser.
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