Es ist gefährlich, von einer Weltregierung zu träumen, welche auf globaler Ebene sogenannte ”Wirtschaftsmacht” kontrollieren soll. Eine Weltregierung würde höchstens Weltlobbies erzeugen, neue unkontrollierbare Kooperations- und Koalitionsformen, bei welchem eine an sich machtlose Wirtschaft politische Macht anzapfen kann. Ähnliches gilt von einem Weltkartellamt oder von einer Welt-Börsenaufsicht. Wer zentralisiert, zentralisiert immer auch die Anfälligkeit für Irrtümer und für mehr oder weniger subtile Formen der Korruption. Das Grosssystem wird verletzlicher und verliert an Lernfähigkeit und Robustheit. In Bezug auf kontinentaleund globale politische Gebilde bedeutet dies: Je grösser die Firmen, desto grösser die Chancen einer politischen Einflussnahme, d.h. die Firmengrössen werden dann durch die politischen Rahmenbedingungen nach oben geschraubt (weil sie sich auf den politischen ”Märkten”der Macht durchsetzen wollen), und nicht durch die ökonomische Rationalität als solcher, welche möglicherweise kleinere, flexiblere, lernfähigere Firmengrössen zur Folge hätte. Die hier geäusserte Fusionsskepsis, und die Bedenken gegenüber mehr Grösse und mehr organisierter Zentralität betreffen daher eher die Politik als die Wirtschaft.
Die wirklichen Gefahren lauern dort, wo das Zwangsmonopol und die Steuer- und Rentenhoheit konzentriert wird. Dies ist mit ein Grund für die Skepsis gegenüber dem politischen Trend zur Zentralität und zum Zusammenschluss, der oft als ”Therapie” gegen ökonomische Zusammenschlüsse gehandelt wird, obwohl er – mindestens zum Teil – deren Ursache ist. Eine solche globalisierte politische ”Ordnung” müsste sich nämlich nicht einmal mehr im globalen Wettbewerb der politischen Systeme bewähren. Wenn es einmal so weit ist, bleibt die Allianz der politisch und wirtschaftlich Mächtigen unter sich und teilt die Macht auf, und es gibt keinen Ort, keine Nischen mehr, wo beispielsweise Alternativen erprobt werden könnten. Die Hoffnung, eine globalisierte Form von Welt-Massendemokratie könnte da irgend ein Gegengewicht setzen, ist naiv und gefährlich.
Wer ein politisches Gegengewicht zur globalisierenden Wirtschaft fordert, muss sich allerdings der Frage stellen, ob einer wachsenden Weltwirtschaft nicht ein wachsendes politisches Weltsystem, so etwas wie ein Weltstaat gegenübergestellt werden müsste. Wer hingegen konkurrierende non-zentrale Strukturen vorzieht, entwickelt gegenüber solchen Szenarien eine instinktive Abneigung, die natürlich im einzelnen empirisch und mit historischen Beispielen zu begründen wäre. Eine globalisierte Wirtschaft ist möglicherweise auf eine weltbürgerliche Gesinnung angewiesen, einen Weltstaat braucht es dazu nicht. Der Handel hat schon immer auch zwischen sehr unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Systemen funktioniert, wenn diese nur offen waren und keinen totalitären Geltungsanspruch und keine Weltherrschaft durchsetzen wollten. In Zukunft braucht es möglicherweise
mehr weltbürgerliche Gesinnung, mehr Bereitschaft zum Pluralismus, aber keinen Weltstaat und keine Weltregierung.
Möglicherweise ist eine pluralistische Weltordnung, die sich auf möglichst vielfältige, friedlich konkurrierende politische Systeme abstützt robuster, weniger irrtumsanfällig und lernfähiger, obwohl das Risiko von vielen suboptimalen Lösungen und von unlösbaren Konflikten zwischen den kleineren Einheiten nicht negiert werden soll. Immerhin hat die Wirtschaft in einer solchen non-zentralen Weltordnung aus sich selbst heraus keine Macht. Aber wer kann ein Individuum, einen potentiell Konsumierenden eigentlich zwingen, ein bestimmtes Produkt, eine bestimmte Dienstleistung, tatsächlich zu konsumieren? Wenn jemand Coca-Cola nicht mag, hat das globale Unternehmen Coca-Cola keine Macht über ihn, wenn jemand kein Auto kaufen will, so ist die ganze Autolobby machtlos, und wer keine Versicherung abschliessen will, kann auch dem aufdringlichsten Agenten einfach ”Nein” sagen, eine Zeitung kann abbestellt werden, und den Fernsehapparat kann man jederzeit um- oder ausschalten oder auch darauf verzichten. Aber der Staat zwingt seine Bürgerinnen und Bürger über Steuern und Rentensysteme und Monopole grosse Bestandteile ihrer Einkünfte nach seinem Kollektivwillen zu verwenden. Dass man darüber in einer Demokratie mitbestimmen kann und – allzu häufig — auch überstimmt wird, ist ein schwacher Trost, immerhin besser als nichts. Der Trost, schlimmstenfalls auch auswandern zu können, bedeutet da schon mehr. Aber wohin auswandern, wenn wir einen Weltstaat hätten?