Die Propheten des ökologischen Untergangs begehen immer wieder denselben Fehler: Sie unterschätzen den Einfallsreichtum der Menschheit. Die Zahl der Atome ist begrenzt, aber die Zahl ihrer Kombinationen ist unendlich. Es geht nicht um Begrenzung des Wachstums, was zählt, ist Innovation.
Thomas Malthus, ein Ökonom und Demograf aus dem 18. Jahrhundert, war der Überzeugung, dass ein Weltuntergangsszenario unmittelbar bevorstehe, weil er davon ausging, dass die Bevölkerung exponentiell wachse, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear zunehme. Seine Annahme erwies sich als falsch, da auch die Nahrungsmittelproduktion exponentiell anstieg. Heutzutage werden weltweit durchschnittlich 2800 Kalorien pro Person und Tag produziert, was als mehr als ausreichend angesehen wird. Wo also hat Malthus sich geirrt?
Malthus war kein Musiker, kein Künstler. Der Mangel an Vorstellungsvermögen war sein Hauptfehler. Malthus war ein Wissenschaftler, der die Anzahl der Tasten eines Klaviers zählen konnte, aber keine Musik komponieren. Die Anzahl der Tasten auf dem Klavier ist endlich, aber die Anzahl der musikalischen Kompositionen, die der Mensch erfinden kann, ist unendlich. Albert Einstein hat es gut ausgedrückt: «Die Logik bringt dich von A nach B, deine Vorstellungskraft bringt dich überall hin.»
Nützliches wird nie ausgehen
Die Propheten des ökologischen Untergangs begehen seit mindestens fünfzig Jahren denselben Fehler. Sie argumentieren, dass dieses oder jenes zu Ende gehen werde. Die Grenzen des Wachstums, nannten sie es in den 1970er Jahren. Sie machten und machen denselben Fehler wie Malthus: Sie unterschätzen den Einfallsreichtum der Menschheit. Die Zahl der Atome auf der Erde ist begrenzt, aber die Zahl ihrer Kombinationen ist unendlich. Das ist der Grund, warum uns nie etwas Nützliches ausgegangen ist und nie ausgehen wird.
Der bei weitem meistgehandelte Rohstoff der Welt ist Rohöl. Rohöl wird in mindestens 6000 Produkten verwendet. Wichtig ist jedoch nicht das Öl selbst, sondern das, was es zum gegenwärtig beispiellosen Wohlstand und der Langlebigkeit unserer Zivilisation beiträgt. Öl ist, wie alles andere auch, eine Anordnung von Atomen, die nützlich ist, weil sie sich in Kraftstoffe, Petrochemikalien, Schmiermittel, Asphalt, Wachse, Bitumen, Kunststoffe, Düngemittel, Arzneimittel, Kleidung usw. umwandeln lässt. Wichtig ist der Nutzen, den wir aus Öl ziehen. Es gibt keine Grenzen, wie wir Atome neu anordnen können, um ein atmungsaktives, feuchtigkeitsableitendes, schnell trocknendes, geruchsresistentes, leichtes Sportshirt herzustellen, um nur ein Produkt zu nennen, das derzeit aus Öl hergestellt wird.
Bemerkenswerter Effizienzgewinn
Seit Beginn der menschlichen Evolution ist die Verbrennung, d. h. die schnelle Oxidation von Kohlenstoff und Wasserstoff in Biomasse und fossilen Brennstoffen, die vorherrschende Methode der Energieumwandlung gewesen. Die menschliche Evolution war über Hunderttausende von Jahren auf die Verbrennung von Holz in offenen Feuern beschränkt. Bis zum Beginn der Industrialisierung blieb die Verbrennung von Biomasse die primäre Methode, um Wärme und Licht zu gewinnen; selbst die fortschrittlichsten postindustriellen Gesellschaften beziehen heute den Grossteil ihrer Nutzenergie aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Was in den letzten 150 Jahren am bemerkenswertesten ist, sind die Effizienzgewinne bei der Umwandlung, d. h. wie viel mehr Ausgangsleistung pro eingesetztes Material gewonnen wird. Vorstellungskraft hat es ermöglicht.
Grosse Affen mit einem ähnlichen Gewicht wie Menschen werden etwa 30 bis 35 Jahre alt. Das ist die Natur. Es ist etwas rätselhaft, warum so viele die Errungenschaften der Zivilisation zurückdrehen wollen, «Degrowth» nennen sie es, zuletzt auf der von der EU gesponserten «Beyond Growth 2023»-Konferenz im Mai. Die Natur wird als Ideal verherrlicht und die Lebensweise von Jägern und Sammlern romantisiert. «Nachhaltigkeit» ist in diesem Zusammenhang ein Schlüsselbegriff. Die Einschränkung der Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts ist nur eine der Ideen der «Degrowth-back-to-nature-sustainability»-Bewegung. Der Zusammenbruch von Sri Lanka im Jahr 2022 ist eine aktuelle Erinnerung daran, was passiert, wenn «Wachstum» durch «Degrowth» ersetzt wird. Wir sollten die Zivilisation verherrlichen, d. h. die einfallsreiche Umgestaltung der endlichen Atome der Natur zum Nutzen der Menschheit.
Vorstellungskraft gefordert
Wie Malthus fehlt es auch den modernen Malthusianern an Phantasie. Ein Aspekt des Umweltschutzes ist die Ablehnung nicht nur der effizienten fossilen Energie, sondern auch der Kernenergie, der Wasserkraft und der Düngemittel, d. h. eine Abneigung gegen einige der wichtigsten Errungenschaften der Zivilisation. Ein weiterer rätselhafter Aspekt der Umweltschützer sind die Ideen, die sie zur Lösung der negativen externen Effekte des Wachstums vorschlagen. Eine dieser «Ideen» betrifft Windmühlen, eine Technologie, die mindestens 800 Jahre alt ist. Windmühlen sind ein gutes Beispiel für «Degrowth», d. h. für Phantasielosigkeit, Scheininnovation und Rückschritt. Umweltschützer, so scheint es, wollen zurück zur Natur.
Während die Leute der «Grenzen des Wachstums» in den 1970er Jahren Hungersnot, Knappheit und eine Eiszeit vorhersagten, haben wir das Gegenteil erlebt, nämlich Übergewicht, Überfluss und globale Erwärmung. Das Bizarre an Zukunftsprognosen ist, dass fast alle von Captain Kirks Gadgets in der Original-Star-Trek-Serie aus den 1960er Jahren, damals noch Science-Fiction, heute existieren: drahtlose Kommunikation, Nahrungsreplikatoren, Scanner, einschliesslich Gesundheits-Scannern, Computer-Tablets, Laser, Sprachsteuerung, sprechende Computer, Drohnen, Autopiloten, virtuelle Realität, GPS, biometrische Identifizierung, 3D-Spiele, usw. Die Macher von Star Trek hatten Vorstellungskraft, die Leute von den Grenzen des Wachstums dagegen nicht. Sie benutzten stattdessen Computermodelle. Ein bisschen so wie das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) heute.
Investition ohne Blick auf den Cashflow
Die praktische Relevanz besteht darin, dass die Problemlösung für die negativen externen Effekte der Zivilisation politisiert wurde. Effizienz und Wachstum sind nicht mehr die primären Ziele. Wäre Effizienz ein vorrangiges Ziel, würden Umweltschützer eher für Thorium als für Windenergie plädieren. Thorium ist ein Metall, das in grösseren Mengen als Uran vorkommt, in Kernreaktoren als Brennstoff verwendet werden kann und in grossen Mengen bereits abgebaut wurde und in Ländern gelagert wird, die der Freiheit, der Wirtschaft und den Menschenrechten freundlich gesinnt sind, d.h. in Ländern, die weder autoritär noch totalitär sind. (Energiesicherheit ist auch nicht die Stärke der Umweltschützer).
Die derzeitige politische Schwerpunktsetzung auf ineffiziente Quellen der Energie- und Nahrungsmittelproduktion, die vom Schulterschluss zwischen den Vereinten Nationen und dem WEF vorangetrieben und häufig von den Regierungen unterstützt wird, birgt ein erhebliches Risiko. Dies kann als eine der grössten Fehlallokationen von Kapital in der Geschichte angesehen werden. Die Gewinnung von Energie aus wenig ergiebigen Quellen wie Windkraft erfordert erhebliche Investitionen, die in der Regel auf staatlichen Subventionen und Interventionen beruhen, wie dem Pariser Abkommen, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), dem Green New Deal, dem Inflation Reduction Act (IRA) und ähnlichen Initiativen. Was auch immer diese «Investitionen» hervorbringen werden, der freie Cashflow für die Investoren steht nicht zuoberst auf der Prioritätsliste.
In Disneys Dschungelbuch will King Louie, ein Affe, von Mowgli, einem Menschen, wissen, wie man fossile Brennstoffe nutzt; «die rote Blume des Menschen» nennt King Louie das. Im Gegensatz zu vielen Umweltaktivisten und ESG-Investoren, die fossile Energien ablehnen, wusste King Louie um die Vorteile einer zuverlässigen Energieversorgung für die Zivilisation und das Wohlergehen der Menschen. King Louie hatte, anders als Malthus, Vorstellungskraft.
Alexander Ineichen ist Gründer der Ineichen Research and Management AG, einem unabhängigen Research-Unternehmen, das sich auf Anlagethemen im Zusammenhang mit Nowcasting und Risikomanagement konzentriert.
Dieser Beitrag ist in The Market erschienen.