Der Liberale weiß, Eigentum ist die Garantie persönlicher Freiheit schlechthin. Ohne privates Eigentum gibt es keine Freiheit. Eigentum schließt die Verwendung eines Gutes durch andere aus. Der Ruf nach Kollektiveigentum verschleiert dies. Hinzu kommt, dass tatsächlich lediglich eine kleine, herrschende Gruppe über alles Eigentum verfügen kann. Staats-, Volks-, Gemeineigentum steht zur Verfügung der herrschenden Klasse, Partei, Bewegung und der Oligarchen sowie konformer Profiteure in Machtnetzwerken.
Ohne privates Eigentum gibt es kaum Schutz der Privatsphäre, da niemand sich hinter seine Mauern in sein Zuhause, auf seinen Grund und Boden, in seine Immobilie zurückziehen kann. Ohne privates Eigentum gibt es kein Unternehmertum und damit keine wirtschaftliche Prosperität. Für Ludwig Erhard bedeutet Privateigentum die „freie individuelle Verfügung über Geld, Sachen und Sachwerte“. Wer möchte ernsthaft, dass andere Menschen über die Verwendung des eigenen Gelds, der eigenen Sachen und Sachwerte entscheiden?
Eigentum schützt den einzelnen Menschen genauso wie die Masse und die Minderheiten. „Die Aufhebung des Eigentums degradiert das Individuum zur öffentlichen Figur.“ wie der Soziologe Wolfgang Sofsky weitblickend erkannte. Ohne Eigentum wird der Mensch zur Verfügungsmasse. Eigentum bedingt eine Grenzziehung zwischen dein und mein. Eigentum sorgt für Klarheit.
Der Liberale erkennt, dass Eigentum individuelle Selbstbestimmung ermöglicht, statt von anderen und insbesondere von der Obrigkeit abhängig sein zu müssen. Wer Eigentum besitzen kann, der hat einen Anreiz es zu mehren und zu verteidigen – anders als diejenigen, die von Zuwendungen leben müssen. Im Übrigen besitzt jeder Mensch etwas, das ihm wert und teuer ist, das er sein Eigen nennt. Eigentum ist eine ursprüngliche menschliche Kategorie. Der Mensch entfaltet sich mit und durch Eigentum. Eigentum ist eine Form der Selbstverwirklichung.
Immanuel Kant erhob in seiner Abhandlung „Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre“ 1797 das Eigentum zu einer vernunftnotwendigen Institution. Ohne Eigentum als elementarer Bestandteil sei eine freiheitliche Rechtsordnung unmöglich. Vereinfacht formuliert: Niemand könnte von seiner (äußeren) Freiheit Gebrauch machen, weil es kein mein und dein gäbe. Zugleich respektierten die Bürger durch die gegenseitige Anerkennung des Eigentums ihre Privatsphären. Für Kant waren die Bürger verpflichtet in den Staat einzutreten, damit Eigentum geschützt werden könne.
Im Römischen Reich wurde Eigentum durch eine Rechtsordnung geschützt. Seit der Neuzeit hat Eigentum einen herausragenden gesellschaftlichen und rechtlichen Rang. In dieser Zeit wiesen die Menschen die mehr oder weniger absolut herrschenden Fürsten in die Schranken. Mehr als die bis dato allein privilegierte säkulare und kirchliche Spitze der Gesellschaftspyramide konnte fortan jedermann Eigentum anhäufen und der Leibeigenschaft entkommen.
Für Liberale ist Eigentum die Grundlage des Menschseins und die Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben von Menschen. Ohne Eigentum keine Freiheit, kaum Privatheit, keine Prosperität.
Eigentum ist politisch bedeutend, es bildet das Fundament unserer Gesellschaft und Demokratie: „Das individuelle Privateigentum, bei gerechter und allgemeiner Verteilung, bildet das einzig uns bekannte einigermaßen sichere und feste Fundament für Freiheit, Unabhängigkeit und Menschenwürde jedes Einzelnen.“ Diese bedeutungsschwere Einschätzung von Alexander Rüstow aus dem Jahr 1950 teilten auch die übrigen liberalen Gründerväter der jungen Bundesrepublik und der Sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard bis Wilhelm Röpke.
Eigentum ermöglicht Ressourcenkoordination
Eigentum ist das Fundament der Marktwirtschaft: Erst Eigentum ermöglicht die Bildung von Preisen – im Sozialismus gibt es keine Preise, die die realen Knappheitsverhältnisse und Wertschätzungen von Anbietern und Nachfragern widerspiegeln. Ohne Marktpreis ist eine vernünftige Koordination der Ressourcen unmöglich. Und damit kann niemand die Rentabilität seiner (konkurrierenden) Vorhaben einschätzen. Folglich lassen sich dann auch Investitionsalternativen wirtschaftlich nicht miteinander vergleichen. Die zwangsläufige Folge war der Kollaps des Sozialismus und bleibt es für alle Zeiten.
Privateigentum und freie Preisbildung sind konstituierende Voraussetzungen der Marktwirtschaft. Die Marktwirtschaft ist wiederum eine einzigartige Wohlstandsordnung. Das Wohlfahrtsniveau steigt für alle und es gibt mehr zu verteilen. Davon profitieren die relativ Ärmsten enorm. Schließlich stellt Eigentum die Unternehmen in den Dienst der Verbraucher. Sonst dienen sie den Interessen weniger.
Unternehmenseigentümer ziehen einen Nutzen aus dem Kapital und tragen das Risiko des Verlusts. Liberale halten das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns hoch. Die Einheit von Eigentum, Kontrolle, Gewinn und Verlust und damit Haftung ist einzigartig. Generationen übergreifend ist sie bei Familienunternehmen gewährleistet. Die Hege und Pflege sowie die Weitergabe des Eigentums geht mit dem unternehmerischen Wissen einher, das übertragen wird. Auch Konzerne wie Facebook, Google und Microsoft haben herausragende Einzelpersonen als Unternehmenseigentümer. Darin unterscheiden sie sich von Banken mit einem Eigenkapital von weniger als 5% in der Finanzkrise und auch jetzt vielfach unter 15%.
Eigentum ist eine gefährdete Spezies: Enteignung, Einschränkung der Verfügungsrechte, Geldentwertung, Steuer- und Abgabenlast sowie eigentumsfeindliche Gesetzgebung sind Bedrohungen durch den Staat. Privat kommt nur noch Kriminalität hinzu, abgesehen vom Neid. Hin und wieder gibt es Natur bedingte Schäden.
Der Staat als Bedrohung des Eigentums
Das Ausmaß der staatlichen Verstöße gegen das Privateigentum ist heute für Liberale fatal. Dem sprichwörtlichen Mops, also dem Hund, der den Wurstschatz bewachen soll, wird auch von sogenannten Wirtschaftsliberalen zu viel wohlmeinende Gestaltungsabsicht beigemessen. Rekordsteuereinnahmen bei vernachlässigter Infrastruktur weisen auf die Schieflage hin. Umverteilung heißt, dass man Eigentum Menschen wegnimmt. „Wenn man das privat tut, kommt man in den Knast. Wenn man es kollektiv tut … ist es zwar legal, aber in seinen Konsequenzen katastrophal.“ konstatiert der langjährige Präsident des ifo-Instituts Hans-Werner Sinn.
Heute ist die Privateigentumspolitik, die die Gründerväter noch befürworteten, zu einer staatlichen Umverteilungspolitik degeneriert. Eigentum ist breit gefächert wünschenswert. Ludwig Erhard forderte: „Die Förderung des Privateigentums muss Hand in Hand gehen mit der Unterstützung der Privatinitiative, der Erhaltung des geschaffenen Privateigentums und seiner Vermehrung in Händen möglichst vieler Staatsbürger.“
Eine Umfrage des Allensbach Instituts vom April 2017 zeigt: Lediglich 41 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass nur Eigentum dazu imstande ist, persönliche Sicherheit und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Und eine ebenso geringe Zahl versteht noch, dass Eigentum sowohl dem Wohl des Einzelnen als auch zugleich dem Wohl der Gemeinschaft dient.
In diesem Zusammenhang kritisieren Liberale das Grundgesetz, genauer Artikel 14, besonders Absatz 2, der das Eigentum unter den Schutz des Staates stellt und es zugleich zu seinem Spielball macht, weil der Gebrauch dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Liberale halten das für einen fundamentalen Fehler. Einerseits, weil das Allgemeinwohl ein schwammiger, manipulierbarer Begriff ist und andererseits, weil so in den strikten Schutz des Eigentums eine Bresche geschlagen wurde.
Durch diese Bresche dringen populistische Protektoren eines behaupteten Allgemeinwohls, das auch Sozialbindung genannt wird. Tatsächlich spielen sie lediglich Gruppeninteressen gegen einander aus. Das ist etwa bei Forderungen nach der Verstaatlichung von Wohnungen der Fall, die scheinbar den Mietern nutzen und auf jeden Fall den Eigentümern schaden, spätestens mittelfristig auch den Mietern, da der Staat schlecht mit Eigentum umgeht und so Knappheit erzeugt. Tatsächlich schaden Verstaatlichungen und Eingriffe in die Verfügungsrechte über das Eigentum, darunter Mietpreisstopps, allen, die eine Wohnung suchen. Bereits heute ist für Vermieter das Verfügungsrecht über ihre Immobilie in weitreichendem Maße eingeschränkt, während Mieter privilegiert werden.
Die Sozialpflichtigkeit stammt aus der Weimarer Republik und hat sozialistische Wurzeln. 1919 war der Liberalismus bereits politisch weitgehend desavouiert und einflusslos. Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Recht wurden zunehmend aufgeweicht. Der Kriegssozialismus trug dazu bei.
Verteilen statt verfügen? Verteidigen!
Heute wird Eigentum weit überwiegend aus der Blickrichtung der Verteilung betrachtet. Angesichts der historisch größten Gleichheit aller Zeiten, die heute in Deutschland herrscht, mutet das bizarr an. „Wo bleiben da Unabhängigkeit und Menschenwürde?“ würde Alexander Rüstow stellvertretend für Liberale fragen.
Eigentum erfordert mündige Bürger. Eigentum ertüchtigt Bürger. Persönliches Eigentum ermuntert zum pfleglichen Umgang, macht unabhängig und schafft Anreize, Wohlstand über Generationen hinweg zu erarbeiten; zugleich dient es der individuellen Vorsorge. Eigentum bietet Schutz vor Notfällen. Man kann es tauschen, und der Handel stellt beide Seiten besser. So steigert Eigentum das Selbstwertgefühl und trägt zur Würde des Einzelnen bei.
Eigentum befördert also verschiedene Prozesse: Motivation, Entdeckung und Innovation, effiziente Verwendung. Hinzu kommen zurechenbare externe Effekte, etwa bei Umweltverschmutzung. Gerade die Umweltbilanz spricht eindeutig für Eigentum und Marktwirtschaft sowie gegen Etatismus und Sozialismus. Gegen die Gefahr der Konzentration hilft der Wettbewerb – mit Franz Böhm das „genialste Entmachtungsinstrument der Geschichte“ –, der wiederum Eigentum voraussetzt.
Eigentum erdet. Deshalb ist der Besitz von Immobilien so wertvoll, über ihren Marktpreis hinaus. Gerade deshalb traten Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow für den privaten Besitz von Gärten, gerade auch Kleingärten ein. Es sei denn, man beschreitet den Irrweg und folgt dem Psychoanalytiker Erich Fromm, der postulierte: „Ich bin, was ich habe“. Das erinnert an: Meine Villa, mein Auto, mein Pferd, meine Yacht. Eigentum als Selbstdefinition schlechthin ist für Liberale zu materialistisch und zugleich marxistisch.
Eigentum beschreibt immer die Beziehung zwischen Personen. Eigentum ist eine soziale Beziehung. Sie gilt als selbstverständlich. Erst als Robinson auf Freitag trifft entsteht Eigentum. Kinder unterschieden ab eineinhalb Jahren mit mein und dein ihre Besitzansprüche.
Eigentum und Freiheit sind unauflösbar mit einander verbunden. Volkseigentum bedeutete stets ein Volk zur Verfügung des Staates. Mangels Eigentum musste das SED-Regime seine Bürger sogar hinter eine Mauer mit Selbstschussanlagen einsperren. Privateigentum hingegen macht Wohlstand für alle möglich. Der International Property Rights Index zeigt die Korrelation zwischen gesicherten Eigentumsrechten und wirtschaftlichem Erfolg, hoher Lebensqualität und Sicherheit von Ländern eindeutig.
Das Eigentumsverständnis ist ein Spiegel der Zeit. Aus liberaler Sicht leben wir in etatistischen, für manche gar neosozialistischen Zeiten. Zeitlos herausgefordert wird Eigentum in seinem klassischen Verständnis durch die Digitalisierung. Alte wie neue Alternativen sind sehr beschränkt und reichen von der Allmende bis zur Share Economy, in der es Eigentümer gibt, die ihr Eigentum zeitweise zur Benutzung teilen.
Dieser Beitrag von Michael von Prollius ist ein Auszug aus seinem Buch Ein liberales Manifest: Sieben Prinzipien und einige Klarstellungen (edition g). Die Veröffentlichung beim Liberalen Institut erfolgt mit freundlicher Genehmigung.