Um Anpassungen des Sozialstaats an die Realität weiterhin zu vermeiden, schlagen sozialdemokratische und weitere etatistische Kreise einmal mehr das Übliche vor: eine neue Steuer. Aktuell geht es um eine nationale Erbschaftssteuer, die per Volks- oder Standesinitiative eingeführt werden soll. Diese Idee ist jedoch moralisch höchst fragwürdig. Wirtschaftlich kommt sie einem Eigengoal gleich.
Der Eigentumsschutz spielt eine wesentliche Rolle in einer Marktwirtschaft. Jeder Eingriff in das Eigentum vermindert den dynamischen Kreislauf des Sparens, der Investition, des friedlichen Austauschs, der für gesellschaftliche Harmonie und die Befriedigung materieller Bedürfnisse sorgt. Doch die Institution des Eigentums beinhaltet auch eine wesentliche ethische Gerechtigkeitskomponente. Wer Kapital ohne gesetzliche Privilegien, ohne Gewalt oder Betrug anhäuft, hat sein Vermögen auch in einem moralischen Sinne «verdient». Es wurde dann erworben, weil der Eigentümer Dritten einen Dienst erwies, für den diese freiwillig etwas eintauschten. Wer Güter oder Dienstleistungen anbietet, die Andere erwerben wollen, setzt seine Kreativität und seine Schaffenskraft ein, um Reichtum wortwörtlich zu schaffen. Darum gehört sein Vermögen ihm, und er kann darüber frei verfügen.
Ethische Prinzipien werden jedoch durch utilitaristische Überlegungen beiseite gewischt. Wenn wir von einem uneingeschränkten Besteuerungsrecht der Politik ausgehen, dann wäre bei «reichen» Erben theoretisch sicher mehr zu holen. Sie stellen nur eine kleine Minderheit dar, und weisen keine augenfällige «Bedürftigkeit» auf. Ein Franken mehr oder weniger bedeutet für sie wohl nicht so viel, wie für Menschen, die in bescheideneren Verhältnissen leben und möglicherweise auf die Unterstützung des Sozialstaats angewiesen sind. Doch diese simplistische Umverteilungslogik geht von einer statischen Wirtschaft aus, die es in der realen Welt nicht gibt. Die Erfahrung anderer Länder belegt, dass eine Überbesteuerung den Wohlstand bescheidenerer Haushalte nie nachhaltig verbessert.
Es ist aussichtslos, die «Armen» bereichern zu wollen, indem man den «Reichen» nimmt. Im Gegenteil leiden gerade die Ersteren unter einer systematischen Schwächung von Wachstum und Innovation durch eine zunehmende Steuerlast. Die Erbschaftssteuer ist in dieser Hinsicht besonders schädlich, weil sie eine dreifache oder gar vierfache Abgabe darstellt: Die Einkommen, aus dem das ersparte Kapital aufgebaut wird, werden bereits einmal besteuert. Dazu ist der Eigentümer noch vermögenssteuerpflichtig. Er muss möglicherweise ausserdem eine Steuer auf die Wertsteigerung seines Vermögens entrichten, wenn seine Projekte gewinnbringend sind und sein unternehmerisches Urteil sich bewährt. Hinzu kommt die Inflationssteuer von rund 2% pro Jahr.
Ein Erbe mag zwar nichts zu seinem Glück beigetragen und es nicht selbst «verdient» haben. Es darum einfach zu enteignen, ist jedoch eine kostspielige Leichtsinnigkeit: Kapitalakkumulation ist die Grundlage einer gesunden Wirtschaft. Das langfristig orientierte Risikokapital liegt oft im Besitz vermögender Familien. Darum ist es auch gerade aus utilitaristischen Gründen unerlässlich, diejenigen Vermögen zu schonen, die über eine Generation hinaus angehäuft wurden. Dieses Kapital sichert die Finanzierung innovativer Unternehmen, die Erneuerung der wirtschaftlichen Struktur, die künftigen Arbeitsplätze und nebenbei auch die Finanzierung sozialer Leistungen. Eine Erbschaftssteuer ist also nicht nur ein ethisch fragwürdiger Verstoss gegen legitime Eigentumsrechte, sie ist auch der Ausdruck kurzsichtiger wirtschaftspolitischer Ignoranz.
Die meisten Kantone haben inzwischen die Erbschaftssteuer für direkte Nachkommen abgeschafft. Diesen Wettbewerb gilt es zu respektieren. Er ist ein wesentlicher Grund für die anhaltende Attraktivität der Schweiz als Investitionsstandort und als «Jobmaschine». Die sozialdemokratische Erbschaftssteuer ist ein verantwortungsloser Akt der Selbstsabotage.
Dieser Artikel wurde in der Gewerbezeitung veröffentlicht.