Der vielbeachtete Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann unternahm in den Jahren 2022 und 2023 eine Forschungs-Weltreise, auf der er 30 Länder besuchte, um sich den Zustand der wirtschaftlichen Freiheit in diesen Ländern genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei besuchte er Staaten, mit denen er zuvor schon mehr oder weniger gut vertraut war, aber auch solche, wo er noch nie war – beispielsweise Argentinien, Kolumbien, Chile, Nepal oder die Mongolei. Er selbst nennt diese Reise «Liberty Road Trip». Für jedes Land, das er besuchte, gab er auch eine Studie über die Einstellung der jeweiligen Bevölkerung zur wirtschaftlichen Freiheit in Auftrag.
Wie steht es aktuell um die Eigentumsrechte, die Vertragsfreiheit und die unternehmerische Freiheit in der Welt? Am LI-Gespräch vom 23. Mai 2024 berichtete Rainer Zitelmann über seine Forschungsergebnisse, Eindrücke und Erfahrungen.
In seiner Einführung gab Olivier Kessler, Direktor des Liberalen Instituts, zu Bedenken, dass immer weniger den Wert der Wirtschaftsfreiheit erkannten. Viele fänden Kapitalismus und Marktwirtschaft zwar doof, aber die Alternative sei in deren Fantasien aus unerklärlichen Gründen ein buntes sozialistisches Paradies, in dem angeblich Milch und Honig fliesse. Dies, obwohl wir doch aus über 100 sozialistischen Experimenten wüssten, dass dies nicht der Fall sei. Statt Milch und Honig gäbe es Hungersnöte. Die Wirtschaftsfreiheit sei folglich nichts Nebensächliches, wie gewisse Kreise immer wieder implizieren, sondern ein Grundpfeiler einer fortgeschrittenen Zivilisation.
- Ohne wirtschaftliche Freiheit gäbe es keinen Wohlstand, sondern bittere Armut.
- Ohne wirtschaftliche Freiheit gäbe es keine freie Jobwahl, sondern verordnete Zwangsarbeit.
- Ohne wirtschaftliche Freiheit gäbe es keine Menschenwürde, sondern Sklaverei, Unterdrückung und Ausbeutung.
- Ohne wirtschaftliche Freiheit gäbe es keinen freien Journalismus, sondern Zensur, Cancel Culture und Staatspropaganda.
- Und ohne wirtschaftliche Freiheit gäbe es auch keine individuelle Freiheit, sondern Gulags, Berliner Mauern und Umerziehungslager – alles im Namen des vermeintlichen öffentlichen Interesses.
In seinem Referat ging Dr. Dr. Rainer Zitelmann, Historiker und Soziologe, auf seine Eindrücke aus verschiedenen Ländern und die von ihm in Auftrag gegebenen Studien ein. Nebst Ländern wie etwa Georgien, Albanien, der Slowakei, Polen, Vietnam und Nepal waren vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen vor allem die Berichte aus Chile und Argentinien interessant.
Chile sei seit vielen Jahrzehnten traditionell das kapitalistischste Land Südamerikas, und dies sei deutlich spürbar. Die Infrastruktur sei modern, die Menschen seien wohlhabend. Nur 1,7 Prozent der Chilenen lebten in extremer Armut, während es im sozialistischen Venezuela 59,6 Prozent seien. Ironisch sei, dass die Chilenen trotz der sichtbaren Erfolge ihres relativ kapitalistischen Systems wieder einen Sozialisten als Präsidenten gewählt hätten. Dies sei vergleichbar mit jemandem, der einst übergewichtig war, auf die richtige Ernährung umgestellt und so zu einer guten Figur gefunden habe, um im Laufe der Zeit wieder zu vergessen, was ihm einst zur guten Form verholfen habe. Er beginne wieder Süssigkeiten zu naschen und zunächst sei dies auch nicht spürbar, weshalb er zu immer mehr Süssigkeiten greife und so langsam wieder an Gewicht zulege, bis er letztlich wieder so übergewichtig sei wie zu Beginn. Mittlerweile sei die Einstellung in Chile zum Kapitalismus negativer als in Argentinien, was doch überraschend sei angesichts der enormen Erfolgsgeschichte.
Argentinien auf der anderen Seite sei vor rund 100 Jahren eines der reichsten Länder der Welt gewesen, bevor immer mehr Staatseinfluss zugelassen worden und Argentinien in den Sozialismus abgedriftet sei. Seit 1957 habe es jedes Jahr eine zweistellige Inflationsrate gegeben. Das Land sei total an die Wand gefahren und der einstige Reichtum verspielt worden. Diese schlimmen Zustände hätten es ermöglicht, dass Javier Milei zum neuen Präsidenten Argentiniens gewählt wurde. Vermutlich sei es eine notwendige Bedingung für liberale Reformen, dass ein Land zunächst heruntergewirtschaftet werden müsse und es den Leuten schlecht ginge. Der geistige Boden für eine Wende müsse während ausserdem von liberalen Think Tanks vorbereitet werden. Letztlich brauche es auch eine charismatische Leaderfigur, die die Massen bewegen könne, jemanden wie Javier Milei. Von Milei hänge vieles ab: Habe er Erfolg, könnte dies zu einer kapitalistischen Revolution in Südamerika führen.