Die politischen Massnahmen während der Coronakrise haben nachhaltigen Schaden angerichtet: Hilfskredite in schwindelerregender Höhe und eine hoch riskante Geldpolitik vermochten die Kollateralschäden von Lockdowns und anderen massiven Eingriffen in die Freiheitsrechte zwar vorübergehend zu vertuschen, dies jedoch zum Preis einer massiven Ausdehnung der staatlichen Verschuldung und der Inflation sowie des Überbordwerfens elementarer ordnungspolitischer Grundsätze.
Wenn die Politik in kommenden Krisen ähnlich forsch einschreitet, dürfte das Pulver zur Bewältigung künftiger Herausforderungen eher verschossen sein, als uns lieb sein kann. Was ist also zu tun? Wie kriegen wir es hin, die Schweiz für künftige Notlagen zu wappnen, statt immer angeschlagener von Krise zu Krise zu taumeln und letztlich einen Systemzusammenbruch aufgrund von Planwirtschaft, Überschuldung und Hyperinflation zu riskieren?
Handlungsspielraum schaffen
Entscheidend ist, dass die Bürger zur Handlung fähig bleiben — unabhängig davon, wie die nächste Krise aussehen wird. Denn ob es wieder ein Virus sein wird, uns Blackouts heimsuchen werden, Versorgungsengpässe auftreten, Terroristen Chemie- und Biowaffenangriffe verüben oder das Finanzsystem kollabiert, kann niemand genau sagen.
Klar ist aber: Tendenziell ist man im Vorteil, wenn man über genügend Ressourcen verfügt, um sich auf verschiedene Szenarien vorzubereiten. Je grösser der Handlungsspielraum, desto besser. Ein ausgebauter Notvorrat, effektive Schutzmasken, warme Kleider, Notstromgeneratoren, Wasserfilter, alternative Zahlungsmittel wie Gold und Silber, aber auch entsprechende Fähigkeiten und Know-how können im Überbrücken von Notlagen behilflich sein, etwa wenn die Versorgung mit wesentlichen Gütern wie Lebensmitteln und Energie oder das Geldsystem temporär zusammenbrechen sollten.
Die Krisenvorsorge hat dabei eine stark individuelle Komponente. Jeder weiss selbst am besten, welche Güter er und seine Liebsten am dringendsten benötigen (etwa spezifische Medikamente). Für diejenigen mit Zugang zu einer sauberen Trinkwasserquelle in unmittelbarerer Umgebung ist ein ausgebauter Trinkwasservorrat vielleicht weniger entscheidend als für andere usw. Es gibt hier also kein «One size fits all»-Rezept, das der Staat allen verordnen könnte. Krisenvorsorge gehört in die Sphäre der Selbstverantwortung.
Die Politik verschärft Krisen
Gerade wenn eine Krise eintritt, ist der Staat zur Zurückhaltung verpflichtet. Die Studie «Covid-19 und die politische Ökonomie der Massenhysterie» von Prof. Philipp Bagus und weiteren Professoren verdeutlicht, dass der Staat durch flächendeckende Massnahmen wie Lockdowns, Maskenzwang und Kontaktverbote eine problematische Massenhysterie befeuern kann, die nicht aufgetreten wäre, wenn eine individuelle, auf Eigenverantwortung basierende Verhaltensanpassung möglich gewesen wäre.
Bei einem freiheitlichen Umgang mit einem neuen Phänomen zeige sich rasch, ob man es mit einer echten Krise zu tun habe oder mit einer weitestgehend eingebildeten oder herbeigeredeten. Wenn einige ihr Verhalten z.B. beim Auftreten eines neuartigen Virus nicht anpassten und dann ohne grossen Schaden zu nehmen einfach weiterlebten, wüssten alle anderen, dass die Gefahr überschaubar sei, weshalb die Wahrscheinlichkeit einer unbegründeten Massenhysterie sinke. In einem solchen Fall wären staatliche Massnahmen überflüssig, weil sie unverhältnismässig wären. Wenn sich jedoch zeige, dass ein Virus besonders gefährlich sei, wären entsprechende Zwangsmassnahmen ebenfalls überflüssig, weil sich dann eine freiwillige Verhaltensanpassung in der Bevölkerung vollziehen würde.
Die Beurteilung von Risiken ist hochgradig individuell. So bewertet zum Beispiel nicht jeder die Verlängerung der eigenen Lebenszeit als oberstes Gut. Viele bevorzugen es, das Leben zu geniessen, statt sich jahrelang einsam und depressiv zu Hause einzuschliessen. Diese unterschiedlichen Bewertungen müssen in einer offenen Gesellschaft möglich sein, und niemand hat das Recht, anderen seinen Lebensstil aufzuzwingen — auch nicht durch das Fordern entsprechender staatlicher Gesetze. «Leben und leben lassen», lautet das Motto, das auch in einer Krise gelten muss, weil nur so der soziale Frieden aufrechterhalten werden kann.
Der schlechteste aller Krisenmanager
Der Staat schürt und verschärft aber nicht nur Krisen, er ist auch ein ziemlich mieser Krisenvorsorger und -manager, wie die vergangenen zwei Jahre verdeutlicht haben. So hat er es etwa nicht fertiggebracht, genügend Masken vorrätig zu halten, obwohl dies seine Aufgabe gewesen wäre. Auch wurden die Notfallbetten während der Covid-Krise trotz angeblich drohender Überlastung des Gesundheitssystems abgebaut, während der ohnehin schon hohe Personalbestand im Bundesamt für Gesundheit weiter aufgestockt wurde. Die Prioritätensetzung der Bürokratie spiegelt eben selten diejenige der Bürger.
Grundsätzlich ist es deshalb besser, wenn der Staat den Bürgern in einer vermeintlichen oder einer tatsächlichen Krise keine Vorschriften macht und sie machen lässt. Private Akteure vermögen tendenziell besser, rascher und dynamischer auf neue Situationen zu reagieren als der Gesetzgeber. Gerade in Krisen eröffnen oftmals kreative unternehmerische Innovationen unerwartete Auswege und Lösungen. Innovationen entstehen jedoch nur dort, wo Raum für Tüfteln, Experimentieren und Ausprobieren besteht. Wenn dieser Raum durch exzessive staatliche Anordnungen verkleinert wird und Politiker allen befehlen, wie sie sich zu verhalten haben, erschwert dies auch die Bewältigung einer Krise.
Liberale Reformen anpacken
Es gilt deshalb, vielfältige Reformen anzupacken, um den benötigten Handlungsspielraum zu schaffen und die Schweiz für die nächste Krise fit zu machen. Folgende Anpassungen wären besonders wichtig:
- Der Spielraum für die Politik, mit Notrecht zu regieren und damit elementare Grundrechte ausser Kraft zu setzen, muss eingeschränkt werden. Freiheitsrechte wurden nicht nur für Schönwetterzeiten geschaffen, sondern gerade auch für Phasen, in denen die Politik eine besonders grosse Lust am Regieren verspürt.
- Der Staat sollte dazu angehalten werden, der dezentral organisierten, privaten Krisenvorsorge keine Steine in den Weg zu legen. Die übermässige Ausbeutung der Steuerzahler ist zu stoppen. Krisenvorsorge hat ihren Preis — und je mehr der Staat die Bürger durch Steuern und Zwangsabgaben schröpft, desto weniger kann individuell vorgesorgt werden, weil zunehmend die Ressourcen dafür fehlen. Wichtig sind deshalb signifikante Steuersenkungen, die man problemlos durch den Abbau von unnötigen Staatsaufgaben erwirken könnte. Von denen gibt es mittlerweile wirklich zuhauf.
- Die individuelle Vorsorge gilt es zu fördern. Dies nicht etwa mit neuen Subventionen und anderen Staatsausgaben, sondern durch steuerabzugsfähige Beiträge beispielsweise für individuelle Gesundheitssparkonten und andere geeignete Formen der Vorsorge.
- Staatsschulden sind nicht auszuweiten, sondern zu reduzieren — etwa durch den Abbau von Staatsausgaben und den Verkauf von staatlicher Infrastruktur an Private. Staatsschulden sind höchst unmoralisch, weil sie den Spielraum künftiger Generationen einengen, von denen man kein Einverständnis dafür eingeholt hat. Nach dem Abbau der derzeitigen Schulden ist daher auf das Anhäufen von Schulden durch den Staat zu verzichten.
- Die Kontrolle über das Geldsystem ist dem Staat zu entreissen und Marktmechanismen auszusetzen. Sonst wird die von der Politik eingeführte und instrumentalisierte Zentralbank jede Krise durch das Drucken von immer noch mehr Geld zuzuschütten versuchen. Dies verlagert aber die Probleme lediglich in die Zukunft und führt zur Anhäufung gewaltiger Systemrisiken, die sich in Form gravierender Wirtschaftskrisen oder erschütternder Hyperinflation bemerkbar machen könnte.
Dieser Beitrag ist am 9. März 2022 in der Finanz und Wirtschaft erschienen.
Olivier Kessler ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich.