Wenig Verständnis für Entwicklungshilfe

June Arungas Engagement für Freiheit und Telekommunikation

«Wer in der Telekommunikation Geld verdienen will, muss in Afrika investieren, da kommt man heute auf Renditen wie sonst kaum anderswo. In Afrika ist die Telekom-Industrie noch nicht lange in Schwung, aber nun gehört sie zu den am schnellsten wachsenden Sektoren der Welt.» June Arunga sagt das nicht einfach lauwarm-kalkulierend daher, in Tonfall und Wortwahl gibt sie im Gespräch zu verstehen, wie eng sie selber mit diesem Aufschwung verbunden ist. Als Dokumentarfilmerin ist sie Beobachterin, als Medienunternehmerin ist sie Teil dieses Booms; und als eine Frau, die in Kenya aufgewachsen ist und auch bei aller internationalen Orientierung ihrer Tätigkeit ihre «Heimbasis» weiterhin da hat, spürt sie die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas in tausend weiteren Facetten ihres Lebens.

Gewiss, June Arungas Karriere ist global ausgerichtet. Sie hat an der Buckingham University in Grossbritannien Jura studiert, ist als Präsidentin eines Filminstitutes in den USA tätig, sie ist mit vielen Think-Tanks auf der ganzen Welt in Kontakt und tritt an entsprechenden Veranstaltungen auf - so etwa am vergangenen Freitagabend an einem Anlass des Liberalen Instituts in Zürich. Aber sie sieht ihre Arbeit nicht als Weggang aus Afrika. Sie betont, dass die jüngere Generation - mit Jahrgang 1981 gehört sie dazu - in zahlreichen afrikanischen Ländern heute stärker als früher nach dem Motto «Bleiben und etwas verändern» agiere. Damals hätten unzufriedene Gruppen der Bevölkerung in einengenden Regimes oft fast nur die Alternativen Resignation oder Auswandern vor sich gesehen.

Auch dieser Wandel hängt ihrer Ansicht nach eng mit Medien- und Telekom-Märkten zusammen, mit deren Liberalisierung, der Ausbreitung von TV, Radio und Mobilfunk, neuer Technologie und günstigen Produkten aus dem Ausland. Früher habe man allenfalls ausländische Sender wie BBC als unabhängige Stimmen vernommen. Heute dagegen sei die Vielfalt von Informationskanälen gross, was die politische Diskussion intensiver mache, den Spielraum für Willkür einschränke und es ermögliche, die Politiker stärker zur Verantwortung zu ziehen als früher. Die jüngere Generation wolle Freiheit, freieren Handel, offenere Märkte, klarere Zuordnungen von Verantwortung.

Die Globalisierung sieht June Arunga dabei als wichtige Unterstützung, und deshalb hätten die jungen Leute für den bevormundenden Geist von öffentlicher Entwicklungshilfe und Gratiszuwendungen wenig Verständnis. «Babysitting Africa» sei eine altmodische Haltung aus der Welt planwirtschaftlicher Ansätze, denen etwa Empfänger-Regierungen, G-8-Politiker, die Initianten der sogenannten Millenniums-Ziele oder die Entwicklungshilfebürokratien westlicher Staaten anhingen. Gewiss, auch aus afrikanischen Ländern seien bisweilen laute Stimmen von Globalisierungskritikern und Nichtregierungsorganisationen zu hören, aber oft seien dies Leute, die auf den Lohnlisten westlicher Geldgeber aus dem Antiglobalisierungs-Lager stünden.

Arungas Hintergrund ist zwar das Juristische, aber ihr Interesse konzentriert sich nun stark auf ökonomische Zusammenhänge, auf die Frage, wie man am ehesten zu einer produktiven Wirtschaft kommt und alte planwirtschaftliche Ansätze und Blockaden überwindet. So sucht sie nun in einem Filmprojekt etwa dem Telekom-Boom auf den Grund gehen. Sie möchte auch für das breite Publikum herausarbeiten, unter welchen Bedingungen sich ein derartiger Aufschwung ergeben kann, wie es dazu kam, dass der Telekommunikationssektor in kürzester Zeit zur Wachstumsbranche wurde. Und nahe liegt für sie sodann die Frage, wie man bestimmte Erfolgsrezepte allenfalls auf andere Gebiete wie etwa den Energiesektor oder das Gesundheitswesen übertragen könnte.

Sie setzt auch mit eigenem Geld auf Afrikas Telekom-Aufschwung. Mit Partnern hat sie eine Firma aufgezogen, um den bargeldlosen Zahlungsverkehr in all den Ländern zu fördern, in denen heute noch die meisten Geschäfte in Bargeld abgewickelt werden müssen und entsprechend gebremst werden. Die Firma soll deshalb einfache Lösungen fürs Bezahlen übers Handy anbieten, die unabhängig von Banken und Telekom-Gesellschaften funktionieren, die es Konsumenten ermöglichen, ihr Mobiltelefon mit einem Guthaben aufzuladen, um dieses dann bei Bedarf zum mobilen Bezahlen zu verwenden. Anfang nächstes Jahr soll das System zunächst in einer Region getestet und dann «mit Vollgas auf dem ganzen Kontinent vermarktet werden».

Beat Gygi, Neue Zürcher Zeitung

12. November 2007