Eine gerechtere Steuer - Überlegungen zur Flat Tax

Wie müssen Steuern aussehen, damit sie von der Mehrheit der Bürger als gerecht empfunden werden? Eine Veranstaltung des Liberalen Instituts versuchte darauf eine Antwort zu finden.

Der häufigste Vorwurf, der gegenüber der Idee einer Proportionalsteuer erhoben wird, ist, dass sie unfair sei. Das gilt für die verschiedensten Ausprägungen der Proportionalsteuer, die reine Flat Tax, wie etwa in der Slowakei, die Flat-Rate-Tax wie in Obwalden oder, etwas abgespeckt, die Easy Swiss Tax, wie sie zurzeit in der parlamentarischen Beratung in Bern diskutiert wird. Pierre Bessard, der Direktor des Liberalen Instituts, machte an einer ausserordentlich gut besuchten Veranstaltung seines Instituts am Donnerstagabend in Zürich klar, dass für Liberale wie Ludwig von Mises eigentlich die Kopfsteuer die gerechteste Steuer wäre. Die Flat Tax sei dagegen zwar gerechter als das herrschende, chaotische Steuersystem, aber nicht so gerecht, wie wenn jede und jeder unabhängig vom Einkommen im gleichen Ausmass zu den staatlichen Ausgaben beiträgt.

«Doppelte Mehrheit» als Muss

Victoria Curzon Price, emeritierte Professorin der Universität Genf und ehemalige Präsidentin der Mont Pèlerin Society, stiess ins gleiche Horn. Sie machte darauf aufmerksam, dass wohl jedermann eine Besteuerung des Einkommens zu 100% für totalitär halte, aber dass es sehr unterschiedliche Auffassungen gebe, ab wann in einem Staat die Tendenz zur Verknechtung zu weit gehe — bei einer Steuerquote von 50%, 60% oder gar erst 70%? Auch gegenüber der progressiven Besteuerung sei die Ablehnung in der Bevölkerung alles andere als vehement. Dabei sei es doch ganz selbstverständlich, meinte Curzon Price, dass Reiche und Arme für einen Leib Brot genau gleich viel zahlten.

Warum, so fragte sie, akzeptiere man dann, was man bei privaten Gütern als richtig ansehe, nicht auch bei kollektiven Gütern? Die Antwort lautete, dass der Staat eben keineswegs nur oder hauptsächlich als Produzent und Lieferant öffentlicher Güter angesehen werde, sondern als Umverteilungsinstitution. Umverteilung dürfe aber, selbst wenn man sie grundsätzlich bejahe, nicht uferlos sein, und sie sollte in einem liberalen Rechtsstaat im Sinne Friedrich August von Hayeks der Anforderung der «doppelten Mehrheit» gerecht werden. Wenn einer relativ kleinen Gruppe, den Reichen, etwas weggenommen wird, ist das für Curzon Price in Anlehnung an Hayek nur legitim, wenn neben der Mehrheit der Bevölkerung auch die Mehrheit der betroffenen Gruppe, hier also der Reichen, einer solchen Umverteilung zustimmt. Die Genfer Ökonomin ist überzeugt, dass dies für eine schwache Umverteilung zutreffen würde, selbst wenn diese Umverteilung in Form staatlichen Zwangs über das Steuersystem erfolgte, dass es aber auf eine stark progressive Besteuerung nicht zutreffe. Diese sei somit unfair, eines liberalen Rechtsstaates nicht würdig und wohlstandshemmend.

Die Botschaft von Ivan Miklos, dem ehemaligen Finanzminister der Slowakei, war pragmatisch. Die 19%-Steuer, die er auf das Jahr 2004 hin eingeführt hat, habe bisher funktioniert, sie habe nicht zu einer Verarmung der untersten Schichten geführt, sondern im Gegenteil die Slowakei im EU-Vergleich vorteilhaft positioniert, und sie habe den Staat nicht ausgehungert. Wesentlich für den Erfolg seiner Steuerreform sei gewesen, dass neben der Einführung einer Proportionalsteuer eine grosse Vereinfachung stattgefunden habe, dass etwa Handänderungs-, Erbschafts-, Schenkungs- und Dividendensteuern aufgegeben wurden. Michael Leysinger, Steuerberater aus Solothurn und seit Jahren ein Kämpfer für eine Flat Tax, präsentierte witzig, aber zum Teil leider wenig überzeugend, worum es bei der Flat Tax geht. Er startete mit den Binsenwahrheiten, dass nur Menschen Steuern zahlen, nicht Firmen oder Institutionen, dass Steuern letztlich mit Cash bezahlt werden und dass die Schweiz längst eine Flat Tax kennt, nämlich die AHV-Prämien ab einem Einkommen von 82 000 Fr. Diese seien nichts anderes als eine mit rund 10% relativ hohe Proportionalsteuer. Trotzdem ist Leysinger klar, dass die an der Veranstaltung präsentierten Ideen wenig Aussicht auf Erfolg haben. Sie seien politisch nicht machbar, meinte er. Das liegt nicht zuletzt daran, dass — auch wenn Leysinger dies weit von sich wies — der Mittelstand bei einer relativ reinen Flat Tax stark bluten müsste. Jemand muss ja die Entlastung der Reichen tragen. Die untersten Schichten, die keinerlei direkte Steuern zahlen, können es nicht sein.

Mit Charme und Chance

Die Easy Swiss Tax will das berücksichtigen und vor allem durch zwei statt nur einen einheitlichen Satz verhindern, dass es im Mittelstand zu einer deutlich höheren Belastung kommt. Das mag intellektuell weniger attraktiv sein als eine konsequente Flat Tax, würde aber gleichwohl eine Beseitigung vieler Verzerrungen und mehr Effizienz bringen; und fairer als der bestehende Steuer—Wirrwarr mit all seinen Abzugsmöglichkeiten und der groben Ungleichbehandlung von Armen und Reichen — die mit dem Euphemismus des Leistungsfähigkeitsprinzips verkauft wird — wäre es, da waren sich alle Redner einig, allemal. Und diese helvetische Variante der Flat Tax hätte zudem den Charme, zumindest eine gewisse Chance auf politischen Erfolg zu haben.

Gerhard Schwarz, Neue Zürcher Zeitung

20. Februar 2010